Bundestagsdebatte über Organspende Zustimmen oder widersprechen?

Berlin · Die Zahl der Organspender soll deutlich erhöht werden. Dafür gibt es mehrere Lösungsvorschläge. Drei Vorlagen wurden gestern im Bundestag diskutiert.

Die schon länger andauernde Debatte über eine mögliche Neuregelung der Organspende in Deutschland hat am Mittwoch den Bundestag erreicht. In einer ersten Beratung wurde über zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe sowie einen Antrag der AfD gestritten. Eine Entscheidung soll im Herbst fallen. Alle Vorlagen eint zumindest das Ziel, nämlich die Zahl der Organspender deutlich zu erhöhen. Fast zweieinhalb Stunden nahm sich das Parlament Zeit, um über neue Wege dahin zu diskutieren. Zwei Dutzend Parlamentarier ergriffen das Wort. Sachlich und zuweilen auch sehr emotional. Und darum ging es konkret:

Ausgangslage: Derzeit gilt hierzulande die „Entscheidungslösung“. Demnach ist eine Organentnahme nur bei ausdrücklicher vorheriger Zustimmung möglich. Das Problem: Nur die allerwenigsten tun dies, obwohl laut Umfrage eine große Mehrheit dafür grundsätzlich aufgeschlossen ist. Fast 10 000 Patienten stehen deshalb auf der Warteliste für ein lebenswichtiges Organ. Im Schnitt stirbt alle acht Stunden ein Betroffener, weil keine passende Niere oder Leber zur Verfügung steht. Hier nun kommen die drei Vorlagen ins Spiel.

Vorschlag I: Eine Parlamentariergruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach regt eine Widerspruchsregelung an. Demnach soll jeder Bürger ein potenzieller Organspender sein, sofern er sich nicht zu Lebzeiten dagegen ausgesprochen hat. Wer sich nicht äußert, stimmt quasi zu.

Vorschlag II: Eine andere Gruppe von Abgeordneten um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock will dagegen am geltenden Prinzip festhalten, dass nur als Organspender in Betracht kommt, wer ausdrücklich zugestimmt hat. Dabei soll aber die Aufklärung gestärkt werden. So sollen zum Beispiel die Hausärzte alle zwei Jahre über Organspenden informieren.

Vorschlag III: Ein Antrag der AfD-Fraktion zielt ebenfalls auf mehr Aufklärung. Dazu werden Änderungen im Transplantationsgesetz vorgeschlagen. So etwa soll die Aufklärung auf grundlegende Fragen der Todesfeststellung erweitert werden.

Argumente: Die Gegner einer Widerspruchslösung begründeten ihre Haltung häufig damit, dass es sich um einen „unverhältnismäßigen Eingriff“ in das Selbstbestimmungsrecht handele. Dieses Recht dürfe nicht auf ein „nachträgliches Veto“ reduziert werden, meinte etwa die CDU-Frau Karin Maag. Dagegen verteidigte ihre Parteifreundin Gitta Connemann die Widerspruchslösung mit dem Hinweis, dass auch hier jeder in seiner Entscheidung frei sei. „Er kann ‚ja‘ sagen, er kann ‚nein‘ sagen.“ Gesundheitsminister Spahn argumentierte, dass es beim Selbstbestimmungsrecht auch die Pflicht geben müsse, davon Gebrauch zu machen – „im Interesse der Patienten“, wie er betonte. Andere Befürworter der Widerspruchslösung wie etwa Bundestagsvize Thomas Oppermann (SPD) prophezeiten, dass intensivere Appelle, sich zu erklären, erfahrungsgemäß nichts bringen würden. Bewegend wurde die Debatte immer dann, wenn über Betroffene gesprochen wurde, die schon seit Jahren auf ein Spenderorgan warten. Welche Vorlage hier am besten für Abhilfe sorgen könnte, blieb aber auch bei diesen Wortbeiträgen umstritten. Abgeordnete von der AfD ließen Sympathien für den Baerbock-Vorschlag erkennen. Allerdings sei dieser Gesetzentwurf „handwerklich schlecht gemacht“, bemängelte ihr Fraktionsmitglied Jens Maier.

Ausblick: Aktuell trägt die Vorlage zur Widerspruchslösung die Unterschrift von 222 Abgeordneten. Beim Vorschlag von Baerbock & Co sind es 193. Rund 300 Parlamentarier haben sich demnach noch nicht festgelegt. Wohin sich die Waage neigt, wird daher erst bei der geplanten Abstimmung im Herbst feststehen.

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