Bundestag Wege aus der Organspende-Krise

Berlin · Angesichts des massiven Spendermangels debattierte der Bundestag über eine System-Reform.

  11 000 Menschen warten in Deutschland auf eine Transplantation, etwa von einem Herzen, wie auf dem Foto. Doch es gibt zu wenig Spender.

11 000 Menschen warten in Deutschland auf eine Transplantation, etwa von einem Herzen, wie auf dem Foto. Doch es gibt zu wenig Spender.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

„Als nächstes die Abgeordnete Sabine Dittmar für die SPD“, kündigte Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) an. Und korrigiert sich sofort: „Äh, Sabine Dittmar für Sabine Dittmar natürlich.“ Es gab keine Fraktionen gestern in der Debatte über die Organspende. Alle hörten allen geduldig zu, von AfD bis Linke. Im strikt vorgeschriebenen Vierminutentakt. 38 Abgeordnete meldeten sich zu Wort, viele Ärzte darunter. Und wer nicht Mediziner war, schilderte persönliche Schicksale, die er erlebt hatte. Man war sich einig: Das gegenwärtige System funktioniert nicht.

Rund 11 000 Patienten warten auf ein Spenderorgan. Dem stehen nur rund 800 Spender zur Verfügung, die also einen Organspendenausweis hatten und bei denen die Ärzte eine Organentnahme veranlassten. Täglich sterben bis zu drei Patienten, weil es an Spenderorganen mangelt. Ein weiterer Fakt: 85 Prozent der Bundesbürger befürworten eine Organspende. Aber nur 39 Prozent haben einen Ausweis, der im Notfall aber oft nicht gefunden wird, weil ein zentrales Register fehlt.

Der Bundestag führte erst einmal nur eine „Orientierungsdebatte“; entschieden werden soll bis zum nächsten Sommer. Dazu werden sich Gruppen von Abgeordneten aus verschiedenen Parteien zusammentun und Anträge formulieren. Drei Varianten schälten sich heraus.

Zum einen die „verpflichtende Zustimmungslösung“. Sie bedeutet eine moderate Reform. Bisher bitten die Krankenkassen ihre Mitglieder regelmäßig um das Ausfüllen eines Organspendenausweises und werben dafür. Da das offenbar nicht ausreicht, wollen Parlamentarier um Grünen-Chefin Annalena Baerbock, Linken-Vorsitzende Katja Kipping und die SPD-Politikerin Kerstin Griese nun einführen, dass jeder Bürger bei der Beantragung oder Verlängerung des Personalausweises oder Passes zwingend angeben muss, wie er zur Organspende steht: Ja, Nein oder Nichtentscheidung. Letzteres würde wie ein Nein wirken. Die Antwort, die jederzeit veränderbar wäre, soll in ein Register eingetragen werden. So könne man die Zahl der Spender wesentlich erhöhen, meinte Baerbock.

Variante zwei wäre die „Widerspruchslösung“, die Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in die Debatte gebracht hatte. Sie gilt in 17 europäischen Ländern und besagt, wer nicht zu Lebzeiten aktiv einer Organentnahme widersprochen hat, kommt automatisch als Spender in Frage. Als doppelte Absicherung sollen die Angehörigen nach dem Tod allerdings ebenfalls noch widersprechen können. Für dieses Modell warb auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

In der sehr sachlichen Debatte wirkten die Befürworter des Widerspruchsmodells allerdings deutlich in der Minderheit. Vielleicht nur  weil sich mehr Gegner meldeten. Es gab viele ethische Bedenken, weil hier „gegen grundsätzliche Prinzipien der Ethik und des Patientenrechts“ verstoßen werde, wie Spahns Vorgänger, Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte. FDP-Vize Wolfgang Kubicki fügte hinzu: „Das deutsche Recht kennt es nicht, dass Schweigen Zustimmung bedeutet.“ Kubicki gehört einer dritten Gruppe an, die es bei der bestehenden Regelung belassen, aber die Werbung verstärken will.

Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) warnte davor, zu glauben, dass die Widerspruchslösung allein schon der Schlüssel sei. Viel entscheidender sei die Organisation des Transplantationssystems in Kliniken. Dass es hier in Deutschland große Defizite gibt, war wiederum Konsens. Spahn hat parallel schon einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der versucht, hier etwas Abhilfe zu schaffen.

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