„Fundierte Kritik hätte ich besser gefunden“

Ist die Schmäh-Kritik von Jan Böhmermann am türkischen Präsidenten Erdogan noch Satire? SZ-Redaktionsmitglied Michael Aubert hat mit Kabarettist Detlev Schönauer über das umstrittene Gedicht gesprochen.

Jan Böhmermann steht seit Tagen wegen seiner Schmäh-Verse über den türkischen Präsidenten Erdogan in der Kritik . Welche Grenzen hat Satire ?

Detlev Schönauer : Satire kann sehr weit gehen. Die Frage ist, ob das Schmähgedicht noch Satire ist. Für mich ist es eine Aneinanderreihung von Beleidigungen. Leider hat er damit übers Ziel hinausgeschossen. Ich finde natürlich sehr gut, dass Böhmermann die Finger in die Wunden legt. Dass Erdogan nach dem Extra-3-Bericht den deutschen Botschafter einbestellt hat, geht gar nicht. Erdogan sollte schon in sehr harter Form klargemacht werden, dass wir Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Freiheit der Kunst und auch der Satire haben. Nur hätte man das meines Erachtens besser machen können. Eine wirklich fundierte satirische Kritik an Erdogan und seiner Politik hätte ich besser gefunden, als ihn nur zu beleidigen. Dass er damit andererseits vieles ausgelöst hat, ist aber etwas sehr Positives.

Sie sprechen von der Diskussion um die Freiheit der Presse, der Meinung und der Kunst?

Schönauer: Ja, es ist natürlich sehr gut, dass einem Erdogan drastisch die Schranken aufgezeigt werden. Leider wird sich an Erdogans Einstellung nicht viel ändern. Damit hat er sich nun endgültig ins Abseits gestellt. Das hat mit Demokratie absolut nichts mehr zu tun. Allein um das aufzuzeigen, war die ganze Diskussion sinnvoll.

Böhmermann hat vor dem Verlesen des Gedichts darauf hingewiesen, dass solche Inhalte nicht erlaubt seien. Spielt das nicht eine Rolle bei der Beurteilung?

Schönauer: Das hilft aber nichts. Wenn ich richtig und fundiert kritisiert werde, fühle ich mich doch viel mehr angegriffen und bloßgestellt, als wenn ich nur als "Ziegenficker" diffamiert werde. Deswegen hätte eine fundierte Kritik einem Erdogan viel mehr weh getan, und die wäre unserer Presse- und Meinungs-Freiheit auch viel zuträglicher gewesen statt bloßer Beleidigungen.

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