Eine tote Afghanin - und viele Fragen

Neu Delhi. Die Lage im nordafghanischen Kundus schien im vergangenen Sommer noch hoffnungslos. Die Taliban hatten weite Teile der Provinz unter ihrer Kontrolle, deutsche Soldaten nannten diese Gebiete "Indianerland". Doch seit dem vergangenen Herbst haben sich erstaunliche Erfolge eingestellt. Die Taliban erlitten schwere Verluste, der Wiederaufbau wird mit Macht vorangetrieben

 Ein bewaffneter Bundeswehr-Soldat bei einer Patrouille in Afghanistan (Archivfoto). Foto: dpa

Ein bewaffneter Bundeswehr-Soldat bei einer Patrouille in Afghanistan (Archivfoto). Foto: dpa

Neu Delhi. Die Lage im nordafghanischen Kundus schien im vergangenen Sommer noch hoffnungslos. Die Taliban hatten weite Teile der Provinz unter ihrer Kontrolle, deutsche Soldaten nannten diese Gebiete "Indianerland". Doch seit dem vergangenen Herbst haben sich erstaunliche Erfolge eingestellt. Die Taliban erlitten schwere Verluste, der Wiederaufbau wird mit Macht vorangetrieben. Der Tod einer Afghanin droht die positiven Entwicklungen nun zu überschatten. Ein Distrikt-Polizeichef sagt, Deutsche hätten die Frau versehentlich erschossen. Vieles ist dabei widersprüchlich.Die Bundeswehr ermittelt nach eigenen Angaben "mit Hochdruck", wie die Frau zu Tode kam, eine zweite Afghanin wurde leicht am Fuß verletzt. Noch ist nicht bewiesen, dass Deutsche für den Tod der Zivilistin verantwortlich sind. Ein Bundeswehr-Sprecher in Kundus sagte gestern, am Vortag sei im Unruhedistrikt Char Darah eine Patrouille von Aufständischen angegriffen worden, die Soldaten hätten das Feuer erwidert. Später erst hätten Afghanen einer anderen Patrouille eine Schwerverletzte übergeben - und zwar fast eineinhalb Kilometer vom Ort des Gefechts entfernt. Bei der Verletzung am Kopf der Frau habe es sich auch nicht um eine Schusswunde gehandelt.

Char Darahs Polizeichef Gulam Mahidin sagte dagegen, deutsche Soldaten hätten einen "Fehler" gemacht. Sie hätten das Feuer eröffnet, ohne vorher angegriffen worden zu sein - was angesichts der strengen Einsatzregeln der Bundeswehr hochgradig unwahrscheinlich sein dürfte. Mahidin sagt auch, die Frau sei in ihrem Haus von einer Kugel getroffen worden und sofort tot gewesen. Nach Angaben der Bundeswehr starb die Afghanin dagegen erst im Feldlazarett im Camp. Zuvor hatte sich demnach noch eine Truppenärztin, die der Patrouille angeschlossen war, um die Schwerverletzte gekümmert.

Bei der Truppe wundert man sich über die Vorwürfe des Polizeichefs, von denen unmittelbar nach dem Vorfall noch keine Rede gewesen sei. Nach dem Tod der Afghanin waren Vertreter des deutschen zivil-militärischen Wiederaufbauteams (PRT), Angehörige und auch Mahidin im Polizei-Hauptquartier in Char Darah zusammengekommen. Der Tenor des Gesprächs sei "sehr sachlich" gewesen, heißt es bei der Bundeswehr. "Während des gesamten Gesprächs hat er (Mahidin) keinerlei Kritik am Verhalten der deutschen Kräfte geäußert."

US-Sondereinheiten töteten unterdessen in der südafghanischen Provinz Kandahar nach offiziellen afghanischen Angaben versehentlich einen Cousin von Präsident Hamid Karsai. Hadschi Yar Mohammad Khan sei ums Leben gekommen, als Soldaten ein Haus im Distrikt Dand stürmten, sagte Distrikt-Gouverneur Hamdullah Nasek gestern. Der jüngere Bruder des Präsidenten und Chef des Provinzrats von Kandahar, Ahmad Wali Karsai, bestätigte den Vorfall. Er sagte, der Verwandte sei "irrtümlich" getötet worden. Zuletzt führte der Tod von neun Kindern bei einem US-Luftangriff zu schweren Verstimmungen zwischen Kabul und Washington. US-Verteidigungsminister Robert Gates entschuldigte sich am Montag in Kabul im Beisein von Präsident Karsai persönlich für den Tod der Kinder. Karsai forderte erneut, es dürfe keine zivilen Opfer bei Militäroperationen mehr geben. Für den Tod der allermeisten Zivilisten im Krieg in Afghanistan sind allerdings Aufständische wie die Taliban verantwortlich.

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