Die Liberalen strotzen in Stuttgart vor Selbstvertrauen

Stuttgart · 2017 wird das Schicksalsjahr für die FDP: Nach dem 4,8-Prozent-Desaster vom September 2013 geht es um den Wiedereinzug in den Bundestag. Dort wird nach Ansicht von FDP-Chef Lindner derzeit viel zu wenig geleistet.

 Christian Lindner während seiner Rede. Heute wird der FDP-Chef 38 Jahre alt. Foto: dpa

Christian Lindner während seiner Rede. Heute wird der FDP-Chef 38 Jahre alt. Foto: dpa

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Die blaue Baumwolltasche mit dem Aufdruck Freiheit bleibt liegen. "Koi Täschle, so eins han i no vom letschde Johr", flüstert die elegant gekleidete Frau ihrem Gatten zu. Der packt stattdessen beherzt eine Sonderausgabe der "Welt" ein, die einer Umverpackung für das FDP-Hausmagazin der Friedrich-Naumann-Stiftung gleichkommt. Die Sonne scheint, die Freien Demokraten rüsten sich für ein anstrengendes Jahr. Kaskadengleich will die Partei von Erfolg zu Erfolg eilen: Im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen. Krönender Abschluss: Der Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag.

Zu Beginn des für sie entscheidenden Wahljahres hat die FDP gestern bei ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart Selbstbewusstsein demonstriert. Die mit starkem Beifall aufgenommene Rede von Parteichef Christian Lindner war gespickt mit Angriffen gegen alle anderen Parteien und gegen Angela Merkel. Überraschend stellte Lindner ein Thema in den Vordergrund, bei dem die FDP derzeit eher als angreifbar gilt: Die innere Sicherheit. Seine Partei stehe für einen "starken Rechtsstaat" und habe sich hier nichts vorzuwerfen. Vielmehr stelle sich die Frage, wo eigentlich die Opposition im Bundestag sei, wenn sie nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt keinen Untersuchungsausschuss fordere. Die Tatsache, dass der Täter trotz zahlreicher Erkenntnisse in Deutschland frei habe herumreisen können, grenze an "Strafvereitelung im Amt", sagte Lindner.

Die Vorschläge von Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) für eine Strukturreform der Sicherheitsdienste nannte er ein Ablenkungsmanöver. "Bei der Überwachung von 500 Gefährdern hätte ich mir Merkels Satz gewünscht: Wir schaffen das." Einer Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum erteilte er eine Absage. Das seien symbolhafte Vorschläge, die Anschläge nicht verhüten können und die Privatsphäre der Bürger verletzten. Lindner mahnte zu einer besonnenen Reaktion. "Die größte Herausforderung in dieser Zeit ist es, die Fassung zu behalten und die Verfassung zu achten".

Die Rede des Parteichefs, der heute 38 Jahre alt wird, enthielt keinerlei Koalitionsaussage. Lindner attackierte alle Parteien gleichermaßen und warf ihnen vor, "nahezu ununterscheidbar" geworden zu sein. Die große Koalition bleibe weit unter den Möglichkeiten, die die gute wirtschaftliche Lage und ihre große Mehrheit böten. "Wir müssen uns um die Frage kümmern, wovon wir morgen leben wollen in unserem Land", rief Lindner aus.

Auch Merkels Flüchtlingspolitik kritisierte er scharf. Es sei falsch gewesen, die Grenzen zu öffnen und das Dublin-Abkommen außer Kraft zu setzen. Wenn man Schlagbäume in Europa verhindern wolle, müsse man die Außengrenzen wirksam schützen. Zudem brauche man ein Einwanderungsgesetz. Lindner kündigte an, dass seine Partei einer weiteren Verletzung der Regeln des Stabilitätspaktes nicht mehr zustimmen werde. 2011 hatten sich die Mitglieder in einem Entscheid noch knapp für die Euro-Rettung ausgesprochen.

Bei dem Treffen im Stuttgarter Opernhaus präsentierten sich auch die liberalen Spitzenkandidaten der nächsten Landtagswahlen, Wolfgang Kubicki (Schleswig-Holstein) und Saar-Landeschef Oliver Luksic. Lindner selbst ist Spitzenkandidat bei der Wahl im Mai in Nordrhein-Westfalen, die als wichtigste Etappe für die Rückkehr in den Bundestag gilt.

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