Bahn lässt die Bagger wieder rollen

Stuttgart. Der Streit um Stuttgart 21 zwischen Bahn und grün-roter Landesregierung eskaliert. Die Bahn kündigte gestern nach einer außerordentlichen Sitzung der Projektträger in Stuttgart an, am Dienstag die Bauarbeiten wieder aufzunehmen. Sie berief sich auf ihr Baurecht. Zuvor hatte es keine Einigung im Streit um den Baustopp gegeben

Stuttgart. Der Streit um Stuttgart 21 zwischen Bahn und grün-roter Landesregierung eskaliert. Die Bahn kündigte gestern nach einer außerordentlichen Sitzung der Projektträger in Stuttgart an, am Dienstag die Bauarbeiten wieder aufzunehmen. Sie berief sich auf ihr Baurecht. Zuvor hatte es keine Einigung im Streit um den Baustopp gegeben. Bahntechnikvorstand Volker Kefer sagte, es solle aber vermieden werden, dass die Bagger "martialisch" vorfahren. "Wir wollen nicht bewusst auf der Baustelle eskalieren", fügte der Bahnmanager mit Blick auf die zurückliegenden heftigen Proteste gegen Stuttgart 21 hinzu.Die Landesregierung bedauerte die Entscheidung der Bahn. "Wir verstehen nicht, dass man nicht auf das Ergebnis des Stresstests wartet", sagte der Stuttgart-21-Gegner und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Er kritisierte die Bahn scharf: Ihre mangelhafte Transparenz bei der Kalkulation der Baustoppkosten habe eine Einigung unmöglich gemacht. Weil keine glaubwürdigen und nachvollziehbaren Zahlen des Bauträgers vorgelegen hätten, habe das Land keinen Baustopp beantragt. Er sagte weiter, die Bahn habe sich auf den Schlichtungsprozess, auf ein demokratisches Verfahren in einer aufgeheizten Situation eingelassen. "Diesen Kurs hat sie heute verlassen."

Erwartet wird, dass die Bahn zunächst das 17 Kilometer lange Rohrleitungssystem im Stuttgarter Talkessel installiert, mit dem das Grundwasser bei den Tiefbauarbeiten im Gleichgewicht gehalten werden soll. Kefer betonte, vor dem Ende des Stresstests würden keine unumkehrbaren Fakten geschaffen. Auch mit der Vergabe von zwei Tunnelbau-Aufträgen in Höhe von insgesamt 750 Millionen Euro werde bis zur Offenlegung der Testergebnisse gewartet. Am 14. Juli sollen die Resultate der Computersimulation für den geplanten unterirdischen Durchgangsbahnhof im Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhofes in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt und diskutiert werden.

Hätte das Land einen formalen Antrag auf weiteren Bau- und Vergabestopp gestellt, hätte es sich auch an den dadurch entstehenden Kosten beteiligen müssen: laut Bahn 50 bis 60 Millionen Euro für einen Baustopp bis zur Veröffentlichung der Stresstest-Ergebnisse, 410 Millionen Euro bis zur geplanten Volksabstimmung im Oktober. Hermann widersprach dem Eindruck, nun sei Stuttgart 21 unumkehrbar: "Der Volksentscheid ist der Ort, wo über das Projekt endgültig entschieden wird, und nicht am heutigen Tag." Die BUND-Landesvorsitzende und Stuttgart-21-Gegnerin Brigitte Dahlbender kündigte an: "Der friedliche und kreative Protest wird weitergehen, zudem erwarte ich, dass die Teilnehmerzahlen wieder zunehmen." dpa/dapd

Meinung

Kretschmanns Blamage

Von SZ-RedakteurDaniel Kirch

Egal, wie man es dreht und wendet: Die Bahn hat das Recht, Stuttgart 21 zu bauen. Punkt. Die Landesregierung scheint nun erkannt zu haben, dass sie keine Handhabe gegen das demokratisch legitimierte Projekt hat. Für den grünen Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist das eine Riesenblamage: Er muss sich eingestehen, den (Wut-)Bürgern vor der Wahl etwas versprochen zu haben (die Verhinderung des Projekts), von dem er schon damals wissen musste, dass es nicht umzusetzen ist. Wenn Politiker aller Couleur daraus die Lehre ziehen, einer solchen Versuchung künftig zu widerstehen, wäre vieles gewonnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Nachrichten aus dem FeldeDas Saargebiet blieb im Ersten Weltkrieg natürlich keine Friedens-Oase. Von Saarbrücken aus startete im August 1914 die 8. Reserve-Kompanie per Eisenbahn nach Frankreich. Wir haben im leicht verblichenen Tagebuch eines Gefreiten a
Nachrichten aus dem FeldeDas Saargebiet blieb im Ersten Weltkrieg natürlich keine Friedens-Oase. Von Saarbrücken aus startete im August 1914 die 8. Reserve-Kompanie per Eisenbahn nach Frankreich. Wir haben im leicht verblichenen Tagebuch eines Gefreiten a