Pendeln von London nach Barcelona

London · Seit drei Monaten arbeitet Sam Cookney in London und lebt in Barcelona, um an seiner Miete zu sparen. Die Rechnung geht nicht ganz auf, dafür genießt er die höhere Lebensqualität.

Die ganze Geschichte begann als Witz. Vor zwei Jahren verzweifelte Sam Cookney wie viele andere Londoner über die astronomisch hohen Mietpreise in der britischen Hauptstadt. So weit, so gewöhnlich für die Metropole. Cookney klagte frustriert einem Freund: "Ich wette, es wäre günstiger, wenn ich in Barcelona leben und jeden Tag pendeln würde." Dann rechnete der 32-jährige Social-Media-Manager eines Start-Ups und kam zu dem Ergebnis, dass er trotz der Reisekosten 387 Pfund pro Monat, umgerechnet etwa 540 Euro , sparen würde. Damals wohnte er noch im Westen Londons und bezahlte rund 1000 Euro für ein WG-Zimmer. Die verrückte Idee ließ er trotzdem erst einmal fallen und hob sie Anfang des Jahres nur wieder auf, weil er eine neue Bleibe finden musste. Im Juni packte Cookney dann seine Sachen und zog tatsächlich nach Spanien. In ein frisch renoviertes Apartment mit zwei Schlafzimmern, einer Dachterrasse, inmitten der historischen Altstadt Barcelonas. Für 800 Euro im Monat kalt. "Es ist kein Vergleich, ich kann überall zu Fuß hingehen", sagt er. Für eine eigene Bleibe in London müsste er nach eigenen Angaben mehr als das Doppelte bezahlen.

Doch ganz ging seine Milchmädchen-Rechnung nicht auf. Damals kalkulierte er mit vier Tagen pro Woche, in denen er den langen Weg auf sich nehmen würde. Aber die Flüge sind deutlich teurer als angenommen. Ab etwa 70 Euro für Hin- und Rückflug bis zu 150 Euro in der Hochsaison muss der 32-Jährige hinblättern. Deshalb arbeitet er letztlich auch den Großteil des Monats von seiner neuen Wohnung in Barcelona aus und pendelt nur wenige Male pro Monat zu seinem Arbeitsplatz. Das dauert dann fünfeinhalb Stunden von Tür zu Tür. "Ich stehe gegen 4.30 Uhr auf und bin um 9.30 im Büro, die Zeitverschiebung mit eingerechnet", sagt Cookney.

Dass er auf diesem Weg Geld sparen würde, sei jedoch nur ein positiver Aspekt. Seine Lebensqualität habe sich verbessert. "Es ist wahrscheinlich die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe", sagt der Pendler und verweist auf Verspätungen der Londoner U-Bahn, den chronischen Wohnungsmangel, die teuren Lebenshaltungskosten. Cookney gibt aber auch zu: "Es war nie eine vernünftige Empfehlung fürs Leben. Es ging mehr darum, die ausschweifenden Mietpreise in London aufzuzeigen."

Tatsächlich steckt die 8,6-Millionen-Einwohner-Stadt in einer Immobilienkrise fest. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die steigenden Mieten führen dazu, dass immer mehr Menschen in den Speckgürtel ziehen, der sich weit ins Umland fräst, sich Wohnungen teilen oder gar wieder bei ihren Eltern einziehen. Durchschnittlich bezahlen Londoner mehr als 1500 Pfund für ihre Miete, umgerechnet mehr als 2100 Euro . Könnte das Beispiel von Sam Cookney also Schule machen? Vermutlich nicht. Aber seine Botschaft hat Cook ney mit der Aktion auf jeden Fall transportiert: "London ist viel zu teuer geworden."

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