Bodenampeln für Smartphone-Zombies

Augsburg · Jeder sechste Fußgänger ist im Straßenverkehr von seinem Smartphone abgelenkt – und begibt sich so in Lebensgefahr. Erste Städte testen daher spezielle Bodenampeln für Handy-Nutzer an Straßenbahngleisen.

Handys bereiten den deutschen Nahverkehrsunternehmen seit gut zwei Jahrzehnten Kopfzerbrechen. Früher waren die Fahrgäste, die lautstark im Bus oder der Trambahn telefonieren, ein Ärgernis für andere. Mittlerweile gibt es diesbezüglich kaum noch Beschwerden. Dafür haben heutzutage die Fahrer Angst vor Fußgängern, die über die Straße laufen, schnell noch eine Nachricht in ihr Smartphone tippen und dabei nicht auf den Verkehr achten. In Augsburg und Köln gibt es für diese "Smatphone-Zombies" inzwischen spezielle Ampeln: in den Boden eingebaute LED-Lichtleisten leuchten an neuralgischen Orten, wenn sich Straßenbahnen nähern.

Die Verkehrsbetriebe reagieren damit auf das Problem, dass es immer häufiger zu Unfällen mit abgelenkten Fußgängern kommt. So war es im März allein in München zu zwei schweren Unglücken gekommen. Eine 15 Jahre alte Schülerin wurde von einer Straßenbahn erfasst und getötet, weil sie Kopfhörer trug und unachtsam auf die Gleise lief. Auf ähnliche Weise wurde ein 17-Jähriger schwer verletzt. Auch in Witten im Ruhrgebiet lief im vergangenen August ein 19 Jahre alter Fußgänger vor eine Straßenbahn und starb - auch er hatte Kopfhörer auf.

In Augsburg gab es zuletzt ebenfalls Unglücke mit Leichtverletzten oder Beinahe-Unfälle mit Fußgängern. Ein Mitarbeiter der Stadtwerke hatte deshalb die Idee, an zwei Straßenbahn-Übergängen Warnlichter in den Boden einzubauen, die rot blinken, wenn sich eine Bahn nähert. "Die Zahl der gefährlichen Situationen hat deutlich zugenommen", erklärt Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg.

Die Dekra hat erst vor wenigen Wochen in einer Studie festgestellt, dass etwa jeder sechste Fußgänger ein Smartphone zum Nachrichten schreiben, telefonieren oder Musik hören nutzt, während er am Straßenverkehr teilnimmt. Wissenschaftler hatten dafür 14 000 Passanten in sechs EU-Großstädten - in Berlin, Amsterdam, Brüssel, Paris, Rom und Stockholm - beobachtet. Besonders problematisch: Etwa acht Prozent der Fußgänger tippten beim Überqueren der Fahrbahn in ihr Handy. "Wie zu erwarten war, benutzten jüngere Fußgänger tendenziell häufiger das Smartphone als ältere", teilte die Dekra Unfallforschung mit. In der Altersgruppe 25 bis 35 Jahre daddelte etwa jeder Vierte mit dem Handy.

In Augsburg wurden die an die normalen Ampeln gekoppelten Lichtleisten deswegen nun an zwei Punkten installiert, wo besonders viele Schüler und Studenten unterwegs sind. Wobei Pressesprecher Fergg betont, dass die LED-Lampen nicht nur für Handynutzer eine zusätzliche Warnung sein sollen, sondern auch für alle anderen, die sonst gerne die rote Fußgängerampel ignorieren: "Jetzt muss man dann auch noch eine rote Linie überschreiten."

Aufmerksam wurden die Augsburger auf das System durch ein Pilotprojekt in Köln. Dort gibt es seit 2015 Bodenlichter an drei Haltestellen. Im Rahmen des Testbetriebs wird eine Untersuchung erstellt, um die Wirkung der Lichter zu überprüfen. "Wir wollen herausfinden, ob ein Gewöhnungseffekt eintritt", sagt Stephan Anemüller von den Kölner Verkehrs-Betrieben. Dann werde entschieden, ob weitere Übergänge mit dem System ausgestattet werden. Auch die Augsburger wollen erst einmal beobachten.

In Köln sind die Lichtleisten nicht die einzige Initiative, um abgelenkte Fußgänger und Radler zu warnen. Bei der 2014 gestarteten Kampagne "Köln steht bei Rot!" machen an Verkehrsknotenpunkten rot und grün gekleidete Pantomimen den Menschen klar, dass Verkehrsregeln auch für sie gelten. Dazu gibt es Plakate und die Polizei macht Sonderkontrollen. "Wir wollen daran erinnern, dass Ampeln eine Sicherheitsfunktion haben", sagt Anemüller.

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