Auto rast in Menschenmenge Volkmarsen ringt nach Rosenmontags-Schock um Normalität

Volkmarsen · Ein Auto rast in Nordhessen offenbar absichtlich in eine Menge – über das Motiv wird weiter gerätselt. Am Karnevalsdienstag wird vielerorts dennoch gefeiert.

 Blick auf das Auto, das im hessischen Volkmarsen in einen Rosenmontagsumzug gefahren ist. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Blick auf das Auto, das im hessischen Volkmarsen in einen Rosenmontagsumzug gefahren ist. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Foto: dpa/Uwe Zucchi

Der Wind zerrt an den Planen, die den Tatort in Volkmarsen vor Blicken abschirmen sollen. Überall im Ortskern stehen noch Polizeiwagen. Einsatzkräfte sind an diesem Dienstagmorgen kaum auf der Straße – ebenso wie Bewohner. Einen Tag nach dem Vorfall, bei dem ein Auto beim Rosenmontagzug in eine feiernde Menschenmenge raste, ist die Kleinstadt weit entfernt von Normalität.

Am Steuer saß ein 29 Jahre alter deutscher Staatsbürger, der aus Volkmarsen kommt. Er sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vor. Sein Motiv ist auch am Dienstag noch unklar. Der Mann war nicht alkoholisiert, sagt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Ob er unter Drogeneinfluss gestanden habe, stehe noch nicht fest. Bislang sei der Mann nicht vernehmungsfähig. Die Zahl der Verletzten steigt bis zum frühen Nachmittag auf fast 60. Am Dienstagmittag befinden sich noch 35 Menschen in stationärer Behandlung, wie die Polizei in Kassel mitteilt. Die Zahl der verletzten Kinder liege bei 18, das jüngste sei drei Jahre alt. Wie stark die Kinder verletzt sind, ist zunächst unklar.

Ein sogenanntes Gaffervideo hat am Montag zu einer zweiten Festnahme geführt. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft sagt, gegen den Festgenommenen werde wegen „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Filmaufnahmen“ ermittelt. Ob es darüber hinaus einen Zusammenhang zu dem Vorfall gegeben habe, müsse ermittelt werden.

Erst vergangene Woche hat der mutmaßlich rassistische Anschlag in Hanau die Menschen erschüttert. Ein 43 Jahre alter Deutscher erschoss in der Nacht auf Donnerstag neun Menschen mit ausländischen Wurzeln. Der Sportschütze soll auch seine 72 Jahre alte Mutter und sich selbst getötet haben.

Taten wie in Volkmarsen und in Hanau beträfen massiv das grundlegende Sicherheitsgefühl der Menschen, sagt der Essener Angstexperte Christian Lüdke. Es entstehe jeweils ein neuer Fokus, auf den sich Aufmerksamkeit und Angst ausrichteten. Dies sei aber nur vorübergehend. Und sollte niemanden abhalten, „genau die Dinge zu tun, die wir geplant haben, mit den Kindern rausgehen, zum Umzug gehen oder zu einem Konzert“, wie Lüdke sagt.

Soll man trotz der schrecklichen Bilder aus Volkmarsen feiern? Diese Frage treibt am Faschingsdienstag Sicherheitsbehörden und Veranstalter in Hessen um. Am Vormittag entscheidet das Innenministerium, die Umzüge können starten. Es gebe keine konkreten Hinweise darauf, dass sich die Gefährdungslage erhöht habe. In einigen Städten gibt es Absagen, in anderen herrscht buntes Treiben wie geplant. Am frühen Nachmittag setzt sich der traditionelle Umzug im Frankfurter Stadtteil Heddernheim („Klaa Paris“) in Bewegung. „Wir lassen uns in dieser Stadt von nichts und niemandem einschüchtern“, ruft Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) den Narren zu.

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