Hobby-Rennfahrer mit viel Mut zum Risiko

Paris · Porträt Konzern-Chef Carlos Tavares hat den französischen Autobauer PSA wieder auf Erfolg getrimmt. Nun streckt der Portugiese die Hand nach Opel aus.

"Am Steuer denke ich nur daran, so schnell wie möglich zu fahren", sagt Carlos Tavares. Der Hobby-Rennfahrer scheut kein Risiko - weder auf dem Asphalt noch als Chef des französischen PSA-Konzerns. Bestes Beispiel ist sein gewagtes Projekt, den deutschen Autobauer Opel zu übernehmen. "Push to pass" heißt der Wachstumsplan des 58-Jährigen für Peugeot-Citroën - anschieben, um zu überholen. Mit Opel würde PSA zum zweitgrößten europäischen Autobauer hinter Volkswagen aufrücken. "Wir sind eher in der Position des Jägers als des Gejagten", sagte Tavares kürzlich auf die Frage nach Übernahmeplänen.

Das war 2013, als der Wechsel des Ingenieurs zu PSA bekannt wurde, noch anders. Peugeot, die Marke mit dem Löwen, war damals gerade durch den Einstieg des chinesischen Autobauers Dongfeng und eine Erhöhung der Staatsbeteiligung vor der Beinahe-Pleite gerettet worden. Tavares fiel die Aufgabe zu, den Traditionskonzern zu sanieren. 2012 hatte PSA noch fünf Milliarden Euro Netto-Verlust verzeichnet.

Der Portugiese strich die Zahl der Modelle zusammen, verhandelte mit den Gewerkschaften über Lohnzurückhaltung und organisierte das Unternehmen um - mit Erfolg: PSA schrieb im ersten Halbjahr 2016 einen Nettogewinn von 1,2 Milliarden Euro und kehrte in den französischen Aktien-Index, den CAC 40, zurück. Die Zahl der verkauften Autos stieg von 2,8 auf 3,1 Millionen "Das ist kein Erfolg, das ist fast schon ein Triumph", schrieb die Zeitung "La Tribune". Doch Tavares genügt das nicht: Er will den Autobauer, der weltweit rund 184 000 Beschäftigte hat, auch international besser aufstellen. Ein "europäischer Champion" mit fünf starken Marken solle unter dem Dach von PSA entstehen, teilte der Konzern gestern mit. Zugleich schickte der Boss Signale der Beschwichtigung in Richtung Deutschland: Opel solle seine Eigenständigkeit im Verbund behalten, alle Standort- und Beschäftigungs-Garantien würden übernommen, versicherte Tavares in einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel.

Wie die Zusammenarbeit mit einer Auto-Schwester funktionieren kann, hatte er beim Konkurrenten Renault erlebt, wo Tavares 32 Jahre lang beschäftigt war. 2004 schickte ihn Renault-Chef Carlos Ghosn nach Japan und in die USA, dort arbeitete der Ingenieur beim japanischen Partner Nissan. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Stellvertreter von Ghosn befördert. Doch dem ehrgeizigen Portugiesen war schnell klar, dass er bei Renault nie die Nummer eins werden würde. Und so kündigte er in einem Interview kurzerhand sein Interesse für eine andere Führungsposition an: "Irgendwann hat man Appetit, die Nummer eins zu werden", lautete sein legendär gewordener Satz.

Das gewagte Manöver brachte Tavares den Rauswurf bei Renault und drei Monate später den Chefposten bei PSA ein. Dort ist der hagere Mann mit der Brille für seinen fast schon asketischen Lebensstil bekannt. Sein Tag beginnt morgens um sechs und endet um 21.30 Uhr - ohne üppige Dinner oder gesellschaftliche Ereignisse. Mittags gönnt sich der Auto-Narr statt des üblichen Geschäftsessens nur einen Salat. Beim Gehalt allerdings endet der Verzicht des dreifachen Vaters und zweifachen Großvaters: 2015 verdoppelte sich Tavares selbst das Jahresgehalt auf 5,2 Millionen Euro. "Ich sehe mich als Fußballspieler oder Formel-1-Pilot, für den es einen Markt gibt", lautete die selbstbewusste Rechtfertigung des Managers.

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