Pulitzer-Preisträger Ronan Farrow legt Buch über Diplomatie vor „Ich muss Alarm schlagen“

New York · Der Autor warnt in seinem Buch „Das Ende der Diplomatie“ vor der Macht des US-Militärs und Kriegstreibern.

 Ronan Farrow ist erst 30, gewann aber bereits den Pulitzer-Preis, war Diplomat und ist jetzt Journalist.

Ronan Farrow ist erst 30, gewann aber bereits den Pulitzer-Preis, war Diplomat und ist jetzt Journalist.

Foto: AP/Ted Shaffrey

Ronan Farrow ist erst 30 Jahre alt, aber er hat schon ein Jura-Studium und mehrere Jahre bei den Vereinten Nationen und im US-Außenministerium hinter sich. Gerade hat er einen Pulitzer-Preis für seinen Anteil an der Aufklärung des Skandals um sexuellen Missbrauch durch den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein bekommen. Jetzt erklärt Farrow in seinem ersten Buch „Das Ende der Diplomatie“ (jetzt auch bei Rowohlt) den Niedergang der US-Außenpolitik.

Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Buch?

Farrow Die Idee zu „Das Ende der Diplomatie“ begann schon vor einigen Jahren in mir zu keimen, als ich junger Beamter im Außenministerium war und die für mich persönlich sehr wichtige Entscheidung getroffen habe, nicht zurück in die Anwaltskanzlei zu gehen, in der ich während meines Jura-Studiums war. Anstelle dessen ging ich nach Afghanistan mit dem legendären, aber auch sehr schwierigen Richard Holbrooke. Ein Diplomat der alten Schule, der Frieden auf den Balkan gebracht hat und dann der Beauftragte der Obama-Regierung für Afghanistan war. Nach dieser Entscheidung sah ich, wie die Prozesse mehr und mehr vom Militär gesteuert wurden und Holbrooke in seinen letzten Tagen bevor er im Amt starb ins Abseits geriet, wie viele andere Diplomaten. Ich habe dann angefangen, viel über die Konsequenzen für Amerikas Rolle in der Welt nachzudenken – was passiert, wenn wir den Verhandlern und Friedensmachern ihre Macht nehmen.

Sie waren damals knapp über 20 –  wie kamen Sie zu alldem?

Farrow Ich war viel zu jung für all das und Holbrooke und Hillary Clinton sehr dankbar, dass sie mir diese Chance gegeben haben. Aber ich war ja auch nur in einer sehr untergeordneten Rolle, ich habe mit den Nichtregierungsorganisationen und den Menschenrechtsorganisationen vor Ort kommuniziert und das gab mir eine interessante Position, von der aus ich diesen Trend beobachten konnte. Aus nächster Nähe habe ich Menschenrechtsverstöße beobachtet, aber ich war machtlos, etwas dagegen zu unternehmen. Ich begann, mir all diese Sachen genauer anzusehen, und habe dann darin eine der größten Verwandlungen der Art und Weise entdeckt, wie Amerika mit der Welt umgeht. Niemand anderes hat darüber geredet – und deswegen hatte ich das Gefühl, dass ich es sein muss, der Alarm schlägt.

Ihre Hauptthese lautet, dass die Macht in den USA weg von Institutionen und Diplomaten hin zu Individuen und dem Militär geht. Sind die Institutionen in den USA stark genug, um das zu überstehen?

Farrow Im Chaos wenden wir Menschen uns an unsere Institutionen –  und da gibt es in den USA momentan keine Unterstützung mehr. Leere Botschaften rund um die Welt, ganze Abteilungen des Außenministeriums, die von untergeordneten Beamten geleitet werden. Und dann kann man dem Chaos nichts entgegenstellen. Wir brauchen stärkere Diplomaten denn je, dann hätten wir ein Gegengewicht, wenn Donald Trump mal wieder über Krieg twittert. Aber diese solide unterstützende Diplomatie haben wir nicht mehr.

Aber es gibt doch auch im US-Außenministerium noch Menschen, die engagiert ihren Job ausüben?

Farrow Es gibt noch mutige und engagierte Beamte, die versuchen, alles auszugleichen, Verbündete zu beruhigen und die Beziehungen aufrecht zu erhalten. Aber es sind weniger und ihre Posten sind nicht mehr so angesehen. Die Diplomatie zieht nicht mehr die besten und klügsten Leute an, wie das eigentlich sein sollte. Und das ist eine echte Krise. Das könnte sich noch auf Generationen nach uns auswirken.

Das Buch ist in den USA vor einem halben Jahr erschienen. Wie sehen Sie den aktuellen Stand?

Farrow Alles stimmt noch genauso – es ist nur schlimmer geworden.

Das Gespräch führte Christian Fahrenbach (dpa).

Ronan Farrow: Das Ende der Diplomatie. Warum der Wandel der amerikanischen Außenpolitik für die Welt so gefährlich ist. Rowohlt, 480 S., 22 Euro.

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