Ist Baukultur nur ein frommer Wunsch?

Saarbrücken · In der saarländischen Architektenkammer sollte es am Montag um Baukultur gehen. Doch den Politikern auf dem Podium lag das Thema nicht.

 Hauptsache, der Verkehr kommt durch: So wie in Eppelborn sehen Durchgangsstraßen hier überall aus. Foto: Maurer

Hauptsache, der Verkehr kommt durch: So wie in Eppelborn sehen Durchgangsstraßen hier überall aus. Foto: Maurer

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Nach fast zwei Podiumsstunden meldete sich die Architekturkritikerin Marlen Dittmann aus dem spärlich besetzten Forum zu Wort und brachte den Abendstand der Dinge auf den Punkt: "Es wurde überhaupt nicht über Architektur geredet." Worüber dann? Über die Kostenexplosion beim Ludwigsparkstadion. Über die Bauskandal-Evergreens (4. Pavillon/HTW-Hochhaus). Eine Art Bauministerium. Den darbenden ÖPNV. Über den überfälligen neuen Landesentwicklungsplan (LEP) Siedlung. Die geplante Globus-Ansiedlung in Neunkirchen. Und weshalb nicht über Architektur? Weil sie in diesem Land keinen Stellenwert hat. Was die Diskussion unfreiwillig bestätigte.

Dabei hatte die gastgebende Architektenkammer (AKS) schon im November zehn "Wahlprüfsteine" formuliert (nachzulesen auf ihrer Internetseite aksaarland.de). Die sollten dem von Ilka Desgranges (SZ) moderierten Abend mit den drei Vize-Fraktionschefs Peter Strobel (CDU), Gisela Kolb (SPD) und Dagmar Ensch-Engel (Linke) sowie den zwei Vorsitzenden Hubert Ulrich (Grünen-Fraktion) und Gerd Rainer Weber (Piraten) als Steilvorlage dienen. Aber wir sind nun mal mitten im Wahlkampf, wo noch weniger als sonst Wahrheiten zählen, sondern meist nur parteipolitische Manöver.

Gefragt, ob die Politik (Beispiel Stadion) Kosten von Bauprojekten gezielt herunterrechne, antworteten die Koalitionsvertreter von CDU und SPD mit Nein (Strobel und Kolb), wohingegen die Repräsentanten der Opposition (Ensch-Engel, Ulrich, Weber) dies bejahten. AKS-Präsident Alexander Schwehm wiederholte mit Blick auf den heraufziehenden "Stadion-Skandal" Mal um Mal seine zentrale Forderung, die Zuständigkeiten für Planen und Bauen in einem Ministerium zu bündeln. Damit läuft Schwehm inzwischen offene Türen ein. Bis auf SPD-Frau Gisela Kolb, die (zurecht) davor warnte, dass mit einem neuen ministeriellen Zuschnitt längst nicht alle Probleme gelöst seien, nickten alle Schwehms prioritären Wahlprüfstein ab. CDU-Mann Strobel verspricht sich davon mehr geballte Kompetenz. Er regte gleich eine "AG Zukunftsplanung" an, die wichtige Planungsaufgaben am Runden Tisch dann frühzeitig auf Herz und Nieren prüfen könne.

Hinsichtlich der Baukultur im Land beließen es die Parteienvertreter bei den üblichen Schlagworten: Kolb erinnerte daran, dass überschuldete Kommunen Städtebaufördermittel nicht abrufen, weil sie ihren Eigenfinanzierungsanteil nicht mehr stemmen können. Oder Ulrich mahnte, dass man sich im Falle einer Globus-Ansiedlung in Neunkirchen "nicht über ausgeräumte, tote Orte wundern" dürfe. Ensch-Engel wiederum beklagte das Baumarkt-Syndrom und dessen Verhunzungspotenzial und forderte "mehr Mut zum Rückbau". Hat man alles schon tausend Mal gehört. Widerspruch kam gegen Ende aus dem Zuhörerkreis.

Martin Luckas, Geschäftsführer des Landkreistages, etwa warnte vor negativen Folgen einer Bündelung von Zuständigkeiten. "Wir sind da gebrannte Kinder, wie das Beispiel Denkmalschutz lehrt." Vor Ort gingen dadurch Verantwortlichkeiten verloren. Luckas' anderer Hinweis - dass Gestaltungssatzungen eigentlich eine kommunale Pflichtaufgabe sein müssten - offenbarte das ganze Malheur der Baukultur im Saarland: Für die Politik sind sie in aller Regel bloß Hokuspokus.

Man hat dort nicht verinnerlicht, dass die Attraktivität von Orten mit ihrer baulichen, ihrer ästhetischen Qualität steht und fällt. Sätze wie "Architekten sind für mich Künstler" (Dagmar Ensch-Engel) zeigen diesen Grad von Realitätsverkennung: Tatsächlich sind ja nicht wenige entsetzlich missglückte Häuser das Werk von Architekten. "Es gibt im Saarland zu wenig Qualitätsbewusstsein" und in den Bauämtern "zu wenig kompetente Entscheider", warf Marlen Dittmann denn auch am Ende in die Runde ein. Und der Architekt Henning Freese, dass einen im Saarland bisweilen das Gefühl beschleiche, Haushaltsnotlagen führten dazu, "auch das Denken einzustellen". Offene Architektenwettbewerbe, warb Freese an die Adresse der Politik, wären das Mittel der Wahl, um mit Bürgern in Dialog zu treten. Denn ohne deren Mithilfe wird sich nichts ändern.

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