Mit Griechen und Chinesen gegen den Pflege-Notstand

Berlin · Die Bundesbürger leben nicht nur immer länger, sie werden dabei auch gebrechlicher und pflegebedürftiger. Doch es fehlen bereits jetzt zehntausende Betreuer.

Die Lücke dürfte - wenn nichts geschieht - immer größer werden. Schon zeichnet sich ein bedrohlicher Pflege-Notstand ab. Bis 2030 ist davon auszugehen, dass die Zahl der Bezieher von Pflegeleistungen um 40 Prozent auf 3,4 Millionen steigt. Schon heute kommen auf 100 offene Stellen nur 37 suchende Altenpflegefachkräfte. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung könnten Ende des kommenden Jahrzehnts eine halbe Million Vollzeit-Pflegekräfte fehlen.

Wie die Misere abwenden? Helfen soll auch die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Dazu haben Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) jetzt Kooperationen mit neun Ländern vereinbart. Pfleger aus Spanien, Italien, Portugal und Griechenland, aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Philippinen, Tunesien und selbst aus China sollen in deutschen Heimen oder ambulant Senioren füttern, waschen, ankleiden oder Medikamente verabreichen. In ihren Heimatländern sind die Betroffenen meist arbeitslos.

Aktuell nehmen 389 ausländische Pflegekräfte an einem der GIZ-Programme teil. Die Anwerbung hält Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) für einen "wichtigen Baustein", da Deutschland auf Zuwanderung qualifizierter Pflegekräfte nicht verzichten könne. "Im Gegenteil, wir brauchen sie, um den Bedarf zu decken. Ich setze mich dafür ein, weitere Erleichterungen für die Zuwanderung zu erreichen", erklärte der Minister gestern.

Vom Fachkräftemangel in Deutschland können inzwischen viele Branchen ein Lied singen. Beispielsweise suchen die Handwerkskammern schon lange im Ausland nach qualifiziertem Personal oder neuen Azubis. Doch ein Dach zu decken oder einen Schrank zu schreinern, ist etwas anderes, als einen kranken oder alten Menschen zu pflegen. Wenn die Bundesregierung jetzt also mit dem Anwerben von Chinesen oder Griechen das wachsende Pflegeproblem beheben will, dann sollte sie die vielen warnenden Hinweise keinesfalls ignorieren.

In Deutschland gibt es immer noch drei Millionen Arbeitslose. Nicht, dass die alle Pfleger werden sollen. Aber Bundesregierung und Länder haben es bisher versäumt, den Pflegeberuf für Arbeitssuchende reizvoller zu machen. Und zwar durch veränderte Rahmenbedingungen für eine bessere Entlohnung, für verbesserte Qualifizierung und erträgliche Arbeitsbedingungen. Daran fehlt es. Bei dem verabschiedeten "Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz" ging es vor allem um höhere Leistungen für demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen. Nicht aber um die Attraktivität des Pflegeberufs allgemein. Hier etwas zu ändern, wird eine Aufgabe für die nächste Bundesregierung sein.

Überdies muss gelten: Wer ausländische Pfleger nach Deutschland holt, darf kulturelle Unterschiede nicht außer Acht lassen. Das fängt bei der Sprache an und hört ganz praktisch bei vermeintlichen Kleinigkeiten wie dem Essen auf. Soll heißen: Ohne gute Qualifizierung und gute Vorbereitung funktioniert das nicht. Denn Menschen, zumal hilfsbedürftige, müssen sensibel und fachkundig behandelt werden. Von wem dann auch immer.

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