Berlinale Sexismus-Debatte auch auf der Berlinale

Berlin · Morgen werden die 68. Berliner Filmfestspiele mit einem Animationsfilm von Wes Anderson eröffnet. Die weltweite Anti-Diskriminierungkampagne beeinflusst auch die Berlinale.

 Der Berlinale-Bär steht wieder vor dem Berliner Sony-Center.

Der Berlinale-Bär steht wieder vor dem Berliner Sony-Center.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

(epd) Die Berlinale wird es in diesem Jahr nicht leicht haben: Es besteht Diskussionsbedarf. Im Herbst hatte ein offener Brief von 79 deutschen Filmschaffenden eine nicht ganz faire Debatte um die künstlerische Qualität des Festivals und die Nachfolge von Berlinale-Chef Dieter Kosslick ausgelöst. Kosslicks Vertrag endet im Mai 2019; er feiert sein vorletztes Festival.

Dann kamen die Missbrauchsvorwürfe gegen den Erfolgsregisseur Dieter Wedel – die #MeToo-Woge, der Kampf gegen sexuelle Übergriffe in der Unterhaltungsbranche, hat Deutschland erreicht. Dass dem Festival ein paar prominente Filme entgangen sein könnten, weil die Oscars schon eine Woche nach Berlinale-Schluss verliehen werden, scheint da gar nicht mehr so ins Gewicht zu fallen.

Kosslick, der die Berlinale seit 2001 zu einer wahren Publikumsmaschine mit regelmäßig 350 000 verkauften Karten entwickelt hat, ließ in den letzten Wochen Fragen nach seiner Bilanz und Nachfolge ironisch bis stoisch an sich abperlen. Für #MeToo hat sich das Festival gerüstet: mit einer Reihe von Veranstaltungen zum Thema, die von der Berlinale mindestens unterstützt werden, und der Einrichtung einer Anlaufstelle für Betroffene. Ohnehin kann das Filmfest auf eine lange, solide Tradition der Antidiskriminierungs-Politik zurückblicken. Die Sektion Panorama etwa ist eine feste Burg der LGTBQ-Bewegung – und soll es auch bleiben, nachdem der langjährige Panorama-Chef Wieland Speck die Leitung an ein Dreier-Team abgegeben hat. Im Zusammenhang mit älteren Gewalt- und Missbrauchsvorwürfen gegen den südkoreanischen Regisseur Kim Ki-duk, dessen neuer Film im Panorama läuft, hat Dieter Kosslick sich programmatisch geäußert: Die Berlinale verurteile „jegliche Gewalt am Set“, man habe sich aber entschieden, nicht in eine „Vorverurteilung“ zu gehen. Berichtet wurde allerdings auch, die Berlinale habe Filme unter dem Aspekt der Integrität ihrer Macher abgelehnt – es wird aufregend bleiben.

Während Frauen bei der Vergabe der Goldenen Palme in Cannes notorisch unterbewertet scheinen, ging der Hauptpreis von Berlin zuletzt an den Film einer Regisseurin: „Körper und Seele“ von der Ungarin Ildikó Enyedi. In diesem Jahr stammen vier der 19 Beiträge in der Bären-Konkurrenz von Frauen, darunter Malgorzata Szumowska aus Polen und Laura Bispuri aus Italien, die bereits im Wettbewerb vertreten waren. Keine schlechte Gender-Bilanz im internationalen Vergleich.

Auch sonst scheinen die Aussichten auf die Filme gar nicht trübe. Wes Anderson, der mit „The Grand Budapest Hotel“ 2014 einen Silbernen Bären geholt hat, eröffnet das Festival mit „Isle of Dogs – Ataris Reise“ – einem Animationsfilm mit Hunden. Schräg für den feierlichen Auftakt, aber Anderson hat mit „Der fantastische Mr. Fox“ gezeigt, wie charmant Filme dieses Genres sein können. Mit Gus Van Sant ist ein Altmeister des amerikanischen Autorenkinos angekündigt; die neue Produktion seines Kollegen Steven Soderbergh – der ja eigentlich nicht mehr fürs Kino arbeiten wollte und den Stalker-Horror „Unsane, Ausgeliefert“ mit einem iPhone gefilmt hat –, läuft außer Konkurrenz. Hardcore-Cineasten können sich auf „Season of the Devil“ freuen, einen Vierstünder des philippinischen Slow-Cinema-Spezialisten Lav Diaz.

Die Internationale Jury ist in diesem Jahr auffallend kompakt. Der deutsche Regisseur Tom Tykwer sitzt einem sechsköpfigen Team vor, in dem nur die belgische Schauspielerin Cécile de France und der japanische Komponist Ryuichi Sakamoto („Merry Christmas, Mr. Lawrence“, „The Revenant“) einem größeren Publikum bekannt sein dürften. Auf dem roten Teppich werden Bill Murray, Tilda Swinton, Daniel Brühl, Isabelle Huppert, Emily Watson und Gael García Bernal erwartet.

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