Exzentrischer Frühaufsteher

Saarbrücken. Wer Schostakowitschs 1. Cellokonzert noch mit seinem Widmungsträger Rostropowitsch hörte, glaubte, dass niemand es besser spielen könnte. Doch heutzutage geht ja kein Solist mehr zu Bett, ohne fürchten zu müssen, dass morgens ein besserer, ein jüngerer vor ihm aufsteht

Saarbrücken. Wer Schostakowitschs 1. Cellokonzert noch mit seinem Widmungsträger Rostropowitsch hörte, glaubte, dass niemand es besser spielen könnte. Doch heutzutage geht ja kein Solist mehr zu Bett, ohne fürchten zu müssen, dass morgens ein besserer, ein jüngerer vor ihm aufsteht. Zu diesen erstklassigen Frühaufstehern gehört bei den Cellisten der Israeli Gavriel Lipkind, der am Montag in der Congresshalle jenes Konzert spielte. Technisch perfekt, tonlich mit breiter Palette, musikalisch reich an Gegensätzen von Ruppigkeit bis intimer Zartheit. Im Wechselspiel mit dem gut antwortenden Orchester (hervorragend die Solohornistin) entstand eine erschütternde Interpretation. Bei der zugegebenen Bach-Bourr&;e verzieh man Lipkind sogar die fast exzentrische Interpretation, so "herrlich maniriert" war sie.Ganz anders nach der Pause. Constantin Trinks ging Bruckners 3. Sinfonie an, als wolle er sie von traditionellem Ballast befreien, die Mystik tilgen. Straff und energisch durchsteuerte er die langen Steigerungen, ließ sie in prachtvoll weichem Fortissimo münden. Die von ihm gewählte Sitzweise sorgte für strahlende Celli und ließ die Bässe den Geigenklang geheimnisvoll grundieren. Der 2. Satz überzeugte mit Kantabilität, das Scherzo klang schwungvoll, wenn auch nicht ganz fertig geprobt. Der heikle Abschnitt im Finale, wo der Organist Bruckner den "störenden" Nachhall des eigenen Spiels in die Partitur übernahm, geriet so eigensinnig, wie er gemeint ist. Wer noch Celibidaches Bruckner im Ohr hatte, mochte insgesamt etwas vermissen, aber jede Zeit muss ihre eigene Interpretation suchen. Trinks tut es. bü

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