Creditreform Überschuldung bleibt trotz guter Lage hoch

Düsseldorf/Saarbrücken · Im Saarland sind vor allem viele Menschen in Saarbrücken und Neunkirchen in Geldnot. Der Kreis St. Wendel schneidet am besten ab.

 Im Saarland sind vor allem viele Menschen in Saarbrücken und Neunkirchen in Geldnot.

Im Saarland sind vor allem viele Menschen in Saarbrücken und Neunkirchen in Geldnot.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

(dpa/low) Die Konjunktur brummt, die Zahl Arbeitslosen ist auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken – und dennoch können immer mehr Menschen in Deutschland ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Nach dem gestern veröffentlichten „Schuldneratlas Deutschland“ der Wirtschaftsauskunftei Creditreform stieg die Zahl der überschuldeten Personen in der Bundesrepublik in diesem Jahr um rund 65 000 auf über 6,9 Millionen. Bei gut jedem zehnten Erwachsen sind demnach die Gesamtausgaben dauerhaft höher als die Einnahmen.

Im Saarland liegt die Zahl der überschuldeten Menschen bei knapp 95 900. Darauf machte Carsten Uthoff, Chef von Creditreform im Saarland, aufmerksam. Die Schuldnerquote sank minimal auf 11,25 Prozent. Sie besagt, dass 11,25 Prozent aller volljährigen Menschen „die Summe ihrer fälligen Zahlungsverbindlichkeiten  in absehbarer Zeit nicht begleichen kann“ und ihnen zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts „weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen“, sagte Uthoff.  Bundesweit sank die Schuldnerquote auf auf 10,04 Prozent.

Männer neigen häufiger dazu, sich zu überschulden. Im Saarland liegt deren Anteil bei 13,42 Prozent. Bei den Frauen sind es 8,95 Prozent. Die meisten Menschen, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, findet man in Saarbrücken –  hier vor allem in den Stadtteilen Malstatt, Alt-Saarbrücken und Burbach. In Malstatt ist jeder dritte Erwachsenen – statistisch gesehen – überschuldet. Viele überschuldete  Menschen leben zudem in Neunkirchen. Dort ist es jeder vierte. Die Gemeinden mit den wenigsten überschuldeten Menschen sind Mandelbachtal und Tholey. Bei dem Landkreisen schließt St. Wendel am besten ab.

Überhaupt sind die regionalen Unterschiede auch bundesweit nach wie vor groß. Die höchste Überschuldungsquote unter den Bundesländern verzeichnete mit knapp 14 Prozent auch 2017 wieder der Stadtstaat Bremen, gefolgt von Sachsen-Anhalt, Berlin und dem Saarland. Am geringsten war die Überschuldung erneut in Bayern (7,47 Prozent) und Baden-Württemberg (8,31 Prozent). Die Stadt mit der höchsten Überschuldungsquote war auch in diesem Jahr Bremerhaven. Auf Platz drei steht bereits  das westpfälzische Pirmasens. Ein „Hotspot“ der Überschuldung sei auch das Ruhrgebiet, berichteten die Experten. Am niedrigsten lag die Verschuldung im bayerischen Landkreis Eichstätt.

Die Gründe für den Sturz in die Überschuldung haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund der guten Konjunktur spürbar verändert. Zwar ist nach wie vor Arbeitslosigkeit der Hauptauslöser für Überschuldungsprozesse, wie das Statistische Bundesamt herausfand. Doch ganz so dominierend wie noch vor einigen Jahren ist das Thema Arbeitsplatzverlust in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr. Stattdessen gewannen in den vergangenen Jahren Erkrankungen, Suchtprobleme und Unfälle, aber auch unwirtschaftliche Haushaltsführung immer größere Bedeutung als Auslöser für Überschuldungsfälle.

Überdurchschnittlich stark zugenommen hat 2017 erneut die Alters–überschuldung, so die Experten. Vier von fünf neuen überschuldeten Personen seien in diesem Jahr älter als 50. Die Zahl überschuldeter Senioren im Alter ab 70 stieg sogar um rund zwölf Prozent auf 194 000. Dagegen nehme die Zahl überschuldeter Personen unter 30 ab. Dieser Trend, dass junge Menschen sich seltener verschulden, „ist auch an der Saar zu beobachten“, sagt Uthoff. Zwar sei Altersüberschuldung immer noch vergleichsweise selten, „aber da bewegt sich die Überschuldung hin“, meinte Michael Bretz von Creditreform.

Eine immer größere Rolle bei der Überschuldungsproblematik spielen außerdem Frauen, was auch auf das Saarland zutrifft. Zwar stellen Männer insgesamt nach wie das Gros der überschuldeten Personen. Doch von den neuen Überschuldungsfällen entfielen 2017 rund 60 Prozent auf Frauen. Besonders häufig geraten alleinerziehende Mütter in die Schuldenfalle. Das Gesamtvolumen der Schulden bezifferten die Experten auf rund 209 Milliarden Euro.

Für die nahe Zukunft rechnen die Experten von Creditreform trotz weiterhin positiver konjunktureller Rahmenbedingungen nicht mit einer nachhaltigen Entspannung. Im Gegenteil: Es könne davon ausgegangen werden, „dass die Überschuldungszahlen, nicht nur in den nächsten Monaten, weiter ansteigen werden.“

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