Schmerzensgeld Vom Recht auf Schmerzensgeld

Berlin · Wer bei einem Fahrradunfall, einer Prügelei oder durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verletzt wird, hat in der Regel Anspruch auf Schmerzensgeld. Betroffene müssen einiges beachten, um angemessen entschädigt zu werden.

 Wer sich bei einem Unfall beispielsweise unverschuldet den Arm bricht, kann Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Dafür sollte man sich zunächst an die Haftpflichtversicherung des Verursachers wenden.

Wer sich bei einem Unfall beispielsweise unverschuldet den Arm bricht, kann Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Dafür sollte man sich zunächst an die Haftpflichtversicherung des Verursachers wenden.

Foto: dpa-tmn/Bodo Marks

(dpa)  Wer in einen Unfall verwickelt wurde oder vom Arzt eine falsche Diagnose bekommen hat, kann Schmerzensgeld fordern. Grundsätzlich wird unter Schmerzensgeld eine finanzielle Entschädigung für erlittene körperliche oder seelische Schäden verstanden. Beispiele sind Fälle, in denen der Geschädigte seinem Hobby wegen einer Verletzung nicht mehr nachgehen kann oder längere Zeit im Bett liegen muss. „Anspruch auf Schmerzensgeld können Menschen auch haben, wenn sie beleidigt wurden oder jemand Bilder von ihnen gegen ihren Willen veröffentlicht hat“, sagt Claudia Keller vom Deutschen Richterbund. Am häufigsten zu Schmerzensgeldforderungen komme es aber nach Verkehrsunfällen.

 Daneben passieren Unfälle auch im Alltag, beim Sport oder auf Reisen. „Hier ist nicht immer jemand für die Verletzung verantwortlich“, sagt Rechtsanwalt Andreas Slizyk aus Westerstede in Niedersachsen. Doch wenn jemand zum Beispiel vor dem Eingang eines Kaufhauses ausrutscht, kann der Inhaber des Geschäfts schmerzensgeldpflichtig werden. Denn der Inhaber hat grundsätzlich die sogenannte Verkehrssicherungspflicht.

 Keinen Anspruch haben Betroffene bei sogenannten Bagatellverletzungen. Beispielsweise stufte ein Gericht einen „Blauen Fleck an der Schulter nach Wegschubsen mit der Hand“  als Bagatellverletzung ein. Das Gleiche sei bei einem Muskelkater und einer psychischen Beeinträchtigung geschehen, bei der der Geschädigte „schockiert und zittrig“ war, so Slizyk.

 „Um den Schaden nachweisen zu können, helfen beispielsweise polizeiliche Unfallakten, Arztberichte, Fotos oder Zeugenaussagen“, sagt Andreas Slizyk. Bei schweren Verletzungen sei der Betroffene hierzu jedoch oft gar nicht in der Lage. Dann sollten die Angehörigen ein Tagebuch führen, in welchem sie die Leidensgeschichte festhalten, empfiehlt der Rechtsanwalt. Vor Gericht können Betroffene die Situation dann möglichst klar und detailliert vorstellen.

 Doch zu einem Prozess kommt es oft erst gar nicht. „Die allermeisten Schmerzensgeld-Fälle werden außergerichtlich erledigt“, sagt Slizyk. Dies geschehe, indem der Verletzte sich an den Verursacher oder dessen Haftpflichtversicherer wendet und mit Beweismitteln überzeugend darlegt, dass er vom Verursacher verletzt wurde. Die Versicherung überprüft die Angaben, zahlt einen Vorschuss und schließlich das restliche Schmerzensgeld.

 Zu dem Vorschuss ist die Versicherung laut Slizyk verpflichtet. Können sich der Geschädigte und der Verursacher oder dessen Versicherer nicht einigen, müssen die Gerichte entscheiden. Dies geschieht entweder mit einem Urteil oder einem Vergleich.

 Das Schmerzensgeld wird dann in aller Regel als Kapitalbetrag ausgezahlt. „Bei schweren Schädelhirnverletzungen oder Querschnittslähmungen bekommt der Geschädigte neben dem Kapitalbetrag auch eine Rente“, informiert Andreas Slizyk. Doch wie hoch kann eine Schmerzensgeldzahlung überhaupt ausfallen? 700 000 Euro erhielten die Eltern eines Kindes, das durch einen ärztlichen Behandlungsfehler schwere Gehirnschäden erlitten hatte, berichtet Slizyk.

 Das mit einer Million Euro bislang höchste Schmerzensgeld für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts wurde dem jüngst verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Kohl erst in diesem Jahr zugesprochen.  Kohl war gegen einen Autor vorgegangen, der vertrauliche Zitate von ihm veröffentlicht hatte.

 Doch selbst das höchste Schmerzensgeld ist in Deutschland gering, wenn man es mit Zahlungen in den USA vergleicht. Dort erhielt die Witwe eines Kettenrauchers, die gegen einen Tabakkonzern geklagt hatte, zuletzt eine Gesamtentschädigung von gut 23 Milliarden Dollar. Der Vergleich mit Deutschland hinkt jedoch. „Denn die Summen umfassen auch die Anwaltshonorare, die oft bis zu 50 Prozent der Forderung ausmachen“, sagt Slizyk.

 Außerdem solle das Schmerzensgeld in den USA auch eine Strafe darstellen, ergänzt Frank Häcker vom Deutschen Anwaltverein. Auch zwischen europäischen Ländern gebe es deutliche Unterschiede. So seien Schmerzensgelder in Italien in der Regel wesentlich höher, in der Schweiz oder Ungarn tendenziell niedriger.

 Wer einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend machen will, sollte sich grundsätzlich klar machen, dass er oder sie den Sachverhalt auch beweisen können muss. „Im gerichtlichen Verfahren gibt es immer mindestens einen Verlierer. Und oft war auch der Verlierer am Anfang überzeugt, er würde gewinnen“, sagt Claudia Keller. Deshalb empfiehlt die Expertin eine vernünftige Einigung. Das sei oft sinnvoller als auf der Maximalforderung zu beharren.

 Verbrauchern, die in einen Unfall verwickelt wurden, rät Rechtsanwalt Andreas Slizyk zu vier Schritten: Zunächst sollten Betroffene die Polizei anrufen und die Namen und Anschriften von Zeugen notieren. „Sofern die Verletzung durch einen Gegenstand verursacht wurde, wie eine explodierte Mineralwasserflasche oder einen gebrochenen Fahrradlenker, sollten Geschädigte diese Beweisstücke unbedingt aufbewahren.“ Danach sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen, einen Rechtsanwalt einschalten und ihre Unfallversicherung informieren.

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