Bitcoin wird zehn Jahre alt Geburtstag einer umstrittenen Währung

Berlin · An Bitcoin scheiden sich die Geister. Manche sehen darin das Zahlungsmittel der Zukunft, andere die nächste Spekulationsblase. Jetzt feiert das digitale Geld sein zehnjähriges Jubiläum.

 Die technischen Grundlagen für die Digitalwährung Bitcoin entstanden vor zehn Jahren.

Die technischen Grundlagen für die Digitalwährung Bitcoin entstanden vor zehn Jahren.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Die Digitalwährung Bitcoin ist zu einem der großen wirtschaftlichen Phänomene unserer Zeit geworden. Ihr sagenhafter Kursanstieg in den vergangenen Jahren befeuerte Träume von schnellem Reichtum, die massiven Wertschwankungen weckten die Angst vor dem Platzen einer gewaltigen Spekulationsblase. Experten sehen vor allem in dem technischen Mechanismus hinter Bitcoin die Lösung für viele Sicherheitsprobleme.

Der Grundstein für Bitcoin wurde vor zehn Jahren gelegt. Jemand veröffentlichte unter dem Namen „Satoshi Nakamoto“ ein Papier, das die Prinzipien für autonomes digitales Geld beschrieb. Es war eine revolutionäre Idee: keine Kontrolle durch eine Zentralbank, keine nationalen Grenzen. Für Vertrauenswürdigkeit und Absicherung soll stattdessen ein Mechanismus mit dem Namen Blockchain sorgen. Grob beschrieben werden alle Transaktionen nacheinander registriert. Versucht jemand, diese Kette von Datenblöcken zu manipulieren, fällt das sofort auf, weil es viele Kopien gibt. So können die virtuellen Münzen auch nicht mehrfach ausgegeben werden. Die Bitcoin-Einheiten werden in komplexen mathematischen Verfahren am Computer generiert. Ihre mögliche Menge ist beschränkt, und je mehr Bitcoin generiert werden, desto mehr Rechenaufwand erfordert dieser „Schürf“-Prozess.

Der Link zum „Satoshi“-Manifest wurde im November 2008 veröffentlicht. Rund zwei Monate später stand die Software dazu bereit. Der Vorstoß fiel in eine wirtschaftlich turbulente Zeit. Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers unter der Last fauler Immobilienkredite in den USA hatte das globale Finanzsystem in die Krise gestürzt. Bitcoin tauchte aus dem Nichts als unabhängige Alternative auf.

Satoshi Nakamoto soll selbst rund eine Million Bitcoin besitzen. Dieser Schatz – nach aktuellem Kurs wäre er rund 5,6 Milliarden Euro wert – blieb bisher aber unangetastet. Die Frage, wer hinter dem Namen steckt, wurde zu einem großen Rätsel, das viele lösen wollten. Satoshi – falls er überhaupt existiert – kommunizierte mit seinen frühen Mitstreitern stets nur elektronisch, bevor er sich vor einigen Jahren zurückgezogen haben soll.

Diverse Krypto-Experten wurden einzeln oder gemeinsam als Bitcoin-Urheber vermutet. Das Magazin Newsweek glaubte 2014, einen pensionierten kalifornischen Ingenieur, der früher tatsächlich Satoshi Nakamoto hieß, als Strippenzieher ausgemacht zu haben. Er stritt alles ab. Dann schien das Geheimnis im Mai 2016 gelüftet zu sein: Der in der Bitcoin-Szene bekannte australische Unternehmer Craig Wright erklärte, er sei Satoshi, und wollte die Behauptung unter anderem mit dem Krypto-Schlüssel des Erfinders untermauern. Doch ziemlich schnell meldeten Experten Zweifel an der Demonstration an. Wright kündigte erst an, als ultimativen Beweis Bitcoin aus Satoshis Paket zu bewegen – und machte dann einen Rückzieher. So bleibt die Frage, wer hinter dem mysteriösen Urheber steht, weiter offen.

Bitcoin kam zunächst nur langsam in Fahrt. Erst war es eine Spielwiese für Computer-Experten. Legendär ist die Geschichte vom Programmierer, der 2010 für zwei gelieferte Pizzen mit 10 000 Bitcoin bezahlt haben soll. Auf dem Höhepunkt der Bitcoin-Euphorie Ende 2017 hätte diese Bestellung somit rund 170 Millionen Euro gekostet – und nach dem jüngsten Absturz jetzt immer noch rund 56 Millionen Euro.

Zu den ersten, die von den Vorzügen einer weitgehend anonymen Digitalwährung profitieren wollten, gehörten Online-Kriminelle. Auf Untergrund-Marktplätzen konnten mit Bitcoin unter anderem Drogen oder Waffen bezahlt werden. Zugleich zeichnete sich Bitcoin schon in den ersten Jahren durch extreme Kursschwankungen aus, die Spekulanten anlockten. Anfangs konnte der Bitcoin-Preis von wenigen Euro auf mehrere Dutzend und wieder zurück springen. Später wurden daraus Schwankungen von mehreren hundert oder sogar tausend Euro.

Die öffentliche Aufmerksamkeit und die Endlichkeit der Ressource Bitcoin, von der nur 21 Millionen Einheiten generiert werden können, lösten in den vergangenen Jahren einen regelrechten Goldrausch aus. Der Kurs schnellte immer weiter in die Höhe. Zu den Konsequenzen gehörte auch, dass der Grafikkarten-Hersteller Nvidia plötzlich mit Engpässen bei einigen Top-Modellen zu kämpfen hatte, die besonders effizient beim „Schürfen“ der Bitcoin-Einheiten sind. Kriminelle Hacker, die heimlich Rechenleistung auf fremden Computern abzweigen, nutzen sie mittlerweile kaum noch, um massenhaft zweifelhafte E-Mails zu versenden, sondern zum Schürfen von Bitcoin. Die ahnungslosen Nutzer können dafür mit höheren Stromrechnungen bezahlen.

Denn die Bitcoin-Produktion erfordert inzwischen nach dem von Satoshi Nakamoto vorgesehenen Verknappungs-System die Rechenleistung von Hochleistungscomputern. In Island mit seinem billigem Geothermie-Strom entstand daraus eine ganze Industrie. Der Strombedarf des Bitcoin-Systems ist enorm. Die Rechenprozesse verbrauchen nach Kalkulationen des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) der Universität Potsdam bereits pro Tag so viel Strom, wie gut 12 000 Vier-Personen-Haushalte in Deutschland im ganzen Jahr benötigten.

Obwohl Bitcoin in diesem Jahr rund zwei Drittel seines Werts verlor, ist die Goldrausch-Stimmung noch nicht verflogen. Schließlich könnten nach Einschätzung von Experten erst in rund 20 Jahren alle erstellbaren Bitcoin generiert sein. Zugleich warnen Regulierer regelmäßig vor Risiken für Verbraucher, die sich in den wechselhaften Bitcoin-Markt trauen.

Das technische Fundament, also die Blockchain-Idee, wird inzwischen auch von Banken sowie in vielen anderen Industrien von der Musik- bis zu Autobranche geprüft, um Prozesse abzusichern. Die Blockchain könnte auch Einzug in Behörden halten, um beispielsweise in einem Grundbuchamt die Übertragung von Grundstücken in eine Blockchain einzutragen. Dass Ketten-System sei zu aufwendig und langsam, warnen allerdings Kritiker. Befürworter entgegnen, dass die technischen Probleme lösbar, die Sicherheitsvorteile dagegen immens seien. „Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und muss zunächst ausreifen, indem sie für zusätzliche Anwendungszwecke weiterentwickelt wird“, sagt HPI-Direktor Christoph Meinel.

Das wird auch in der Branche so gesehen. „Blockchain kann revolutionieren, wie alle – Unternehmen, Regierungen, Organisationen, Menschen – zusammenarbeiten“, so die Investmentbank Goldman Sachs. Denn sie biete einen einfachen und sicheren Weg, praktisch jede Art von Transaktion zu verifizieren. Das bedeutet auch, dass der Bedarf an zentralisierten Abwicklungsstellen durch die Speicherung der Kette an vielen Orten entfallen könnte, was das bisherige Geschäftsmodell vieler Firmen infrage stellt.

(dpa)
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