Verkehrsrowdys am Internet-Pranger

Saarbrücken · Raser ausbremsen, Falschparker verpetzen: Mit Apps wie Wegeheld und Fahrerbewertung können Smartphone-Besitzer im Internet Verkehrssünder anprangern. Datenschützer befürchten Denunziation. Eine norddeutsche Stadt ist nicht abgeneigt.

 Mit Apps wie Wegeheld können Smartphone-Besitzer Ordnungshüter auf Falschparker und Raser aufmerksam machen. Foto:dpa

Mit Apps wie Wegeheld können Smartphone-Besitzer Ordnungshüter auf Falschparker und Raser aufmerksam machen. Foto:dpa

Horst-Werner Nilges hat ein Hobby, das vielen Autofahrern ein Dorn im Auge ist. Der Frührentner aus Osterode am Harz verpetzt Falschparker bei den Behörden. Weit über 30 000 Anzeigen hat "Knöllchen-Horst" schon erstattet. Dank neuer Apps gelingt ihm das und anderen Möchtegern-Polizisten künftig mit einer Bewegung aus dem Handgelenk. Über fahrerbewertung.de und die dazugehörige App können sie Verkehrsünder per Smartphone anzeigen. Nutzer geben dort in eine schlicht gehaltene Oberfläche ein beliebiges Autokennzeichen ein und dazu eine positive, neutrale oder negative Bewertung ab. Diese ist dann auf der ganzen Welt abrufbar.

Die Idee dazu hatte Jörn Wolter aus Bonn: "Mein Kollege ärgerte sich, weil ihm ein Autofahrer die Vorfahrt genommen hatte. Wir überlegten dann, wie wir dem Verkehrssünder eins auswischen können, ohne zur Polizei zu gehen." Mitte März starteten sie schließlich das Portal Fahrerbewertung. Über 100 000 Beurteilungen sind seitdem eingegangen. "Wir möchten mit der Anwendung für mehr Bewusstsein bei den Autofahrern sorgen," sagt Wolter.

Doch Datenschützer sind davon wenig begeistert und schlagen Alarm: "Ich halte das Portal für unzulässig", sagt Judith Thieser vom Datenschutzzentrum Saarland. Fahrerbewertung greife stark in das Persönlichkeitsrecht ein, denn mit der Bekanntgabe des Kennzeichens und dem Zusatzwissen von Bekannten könne ein Personenbezug hergestellt werden. Außerdem befürchtet Thieser, dass die Seite vorrangig dazu genutzt, wird andere Menschen zu denunzieren: "Die Webseite kann das Ansehen von Personen schädigen, indem diese als Verkehrssünder und Raser dargestellt werden. Zudem könnten Versicherer und Bußgeldbehörden auf die Daten zurückgreifen."

Jörn Wolter weist diese Vorwürfe zurück: "Ich habe das Gefühl, dass die Datenschützer immer schon aus Reflex sagen: Das ist bedenklich." Er versichert, seine Webseite sei regelkonform. Zum einen könne kein Bewegungsprofil erstellt werden, zum anderen sei es nicht möglich, andere Verkehrsteilnehmer zu beleidigen oder bloßzustellen. Zudem würden erste Auswertungen zeigen, dass viele Nutzer gar nicht das Ziel verfolgen, andere Autofahrer schlecht zu machen. "Von den bisher abgegebenen Beurteilungen sind weit über 60 Prozent positiv", sagt Wolter.

Auch Heinrich Strößenreuther, Entwickler der Anwendung Wegeheld, meint, dass seine App dem Gesetz entspricht. Nutzer können über das Programm Verkehrssünder direkt bei den Behörden melden. Die Bedienung von Wegeheld ist simpel: App öffnen, Standort bestimmen, Vorfall sowie Farbe und Fahrzeug auswählen und dann das Vergehen auf Facebook oder Twitter veröffentlichen. Wer möchte, kann auch noch ein Bild des falsch geparkten Autos hochladen. Das Programm fordert Nutzer dazu auf, das Nummernschild über eine Funktion zu schwärzen. Am 28. März 2014 ging die App online, seitdem wurde sie bereits über 17 000-mal heruntergeladen. "Sie funktioniert in jeder Stadt und jedem Dorf", erklärt Strößenreuther. Allerdings gebe es noch Einschränkungen. Oft könnten Nutzer die Verkehrssünder nur auf einer digitalen Karte markieren, das Melden an die Behörden funktioniere ausschließlich in den hundert größten Städten Deutschlands. Zudem gibt es die App bislang nur für Smartphones mit Android-Betriebssystem.

Strößenreuther, Wirtschaftsinformatiker und ehemaliger Greenpeace-Aktivist, verfolgt mit Wegeheld ein klares Ziel: "Städte ohne nervige Falschparker". Er meint: "Freie Wege sind die Grundlage von Mobilität. Und selbstbestimmte Mobilität ist ein Menschenrecht für alle, nicht nur für Autos."

Die Städte äußern sich zurückhaltend: "Für Hamburg sind Apps wie Wegeheld derzeit kein Thema", erklärt Frank Reschreiter, Sprecher der Hansestadt. Und auch aus München heißt es: "Wir setzen bei der Suche nach Falschparkern auf unsere eigenen Leute", sagt Sprecherin Daniela Schlegel.

Die Bremer Stadtverwaltung schließt eine Zusammenarbeit mit den App-Entwicklern allerdings nicht aus. Hier wolle man erst einmal abwarten, wie viele Meldungen eintrudeln. "Wenn ein Nutzer ein Foto von einer zugestellten Einfahrt schickt, dann werden wir dem auch nachgehen", sagt Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler. Sie betont jedoch: "Sollten Bürger die App nutzen, um massenhaft Anzeigen zu erstatten, dann werden diese nicht verfolgt, denn dahinter stecken oft persönliche Gründe."

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