Nürnberg Die Ausbildung wird zunehmend digital

Nürnberg · In immer mehr Branchen gehört Computertechnik zum Alltag. Für manchen Kritiker kommt die Entwicklung zu spät.

 Viele Azubis lernen mittlerweile fast ausschließlich am Computer.

Viele Azubis lernen mittlerweile fast ausschließlich am Computer.

Foto: dpa-tmn/Frank Rumpenhorst

Die Digitalisierung erhält immer schneller Einzug in die Ausbildungswelt. Azubis können sich ihre Arbeitsanweisungen mittlerweile aus dem Internet ziehen, Maschinen schon lange mit ­Tablets bedienen und in sozialen Netzwerken lernen. Auch die Berufsbilder bleiben vom digitalen Wandel nicht unberührt. Doch nicht allen geht die Transformation von alter zu neuer Ausbildungswelt schnell genug.

Das neue Ausbildungsjahr beginnt zumindest schon ganz im Zeichen der Digitalisierung. Zum 1. August können sich junge Menschen bundesweit erstmals zum Online-Händler ausbilden lassen. „Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce“ heißt das neue Angebot offiziell. Es soll eine Antwort auf den seit langem boomenden Online-Handel sein. Eine Antwort, die zehn Jahre zu spät kommt, kritisieren Experten. Sie sehen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands in Gefahr.

„Die Ausbildung kommt nicht zehn Jahre zu spät, sondern genau rechtzeitig“, sagt dagegen der Vizechef des Bundesverbands E-Commerce
und Versandhandel Deutschland, Martin Groß-Albenhausen. „Wir haben einen Beruf geschaffen, bei dem wir am ersten Tag der Ausbildung jedem Azubi sagen, dass er am Ende der drei Ausbildungsjahre vermutlich einiges, was er in den ersten Monaten lernt, nicht mehr anwenden wird.“ Der Handelsverband Deutschland geht von mehr als 1000 neuen Auszubildenden im Online-Handel in diesem Jahr aus.

Doch nicht nur im Handel wirbelt die Digitalisierung die Ausbildung durcheinander. In der Industrie gehören – anders als noch vor ein paar Jahren – Programme und Roboter längst zum Arbeitsalltag. Auch bei den Dachdeckern tut sich etwas. In der Branche kämen seit einiger Zeit immer öfter auch Drohnen zum Einsatz, um Schäden am Dach leichter zu identifizieren, so der Deutsche Dachdeckerverband. Da die unbemannten Fluggeräte immer erschwinglicher würden, könne man fast schon von einem Trend sprechen. Ein Drohnen-Pilotenschein sei in der Berufsausbildung aber noch kein Thema.

Aber warum nicht? Aus- und Weiterbildungsexperte Josef Buschbacher wünscht sich eine lebendigere Debatte über die Berufsausbildung in Deutschland. Nicht nur über die Inhalte, sondern auch über die Form. Viele würden sich Gedanken dazu machen, sagt der Geschäftsführer der Corporate Learning + Change GmbH. „In den Rahmenlehrplänen müsste viel mehr das Thema ,Lernen lernen‘ verankert sein.“ Die Zeiten, in denen man einen einmal gelernten Beruf das ganze Leben auf die gleiche Art ausübe, seien lange vorbei.

Im Berufsschulunterricht müsse man auf neue Medien setzen. „Also nicht jetzt anfangen, Bücher zu drucken für Kaufleute im E-Commerce“, sagt Buschbacher. Sondern moderne Lehr- und Lernmethoden einsetzen wie Web-Seminare oder soziale Netzwerke. „Darauf setzen auch immer mehr Unternehmen, weil sie sehen, dass die neue Ausbildungs-Generation mit solchen Dingen aufwächst“, so der Experte.

Warum dies also nicht nutzbar machen? Wieso nicht wie in Computerspielen 36 Level statt drei Ausbildungsjahre einführen? Schnelle Erfolgserlebnisse – das hätten Studien gezeigt – seien sehr motivierend für junge Menschen, sagt Buschbacher. Doch schon bei Ausbildern beiße man mit solchen Vorschlägen oft auf Granit.

Die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), ist seit März ein wichtiges Gesicht der deutschen Netzpolitik. „Als Computerspiel-Fan bin ich natürlich offen dafür, statt drei Jahren Lehre 36 Level einzuführen, aber letztendlich überlasse ich so etwas den Fachdidaktikern“, sagt sie.

Die Geschwindigkeit des Wandels nehme immer mehr zu. „Manche Tätigkeiten innerhalb von Berufsbildern werden obsolet, andere gewinnen an Gewicht“, sagt Bär. Inhalte der Berufsausbildung müssten deshalb schneller aktualisiert werden – „und zwar nicht nur in digitalen, sondern in allen Berufsbildern“.

Die Berufsbilder seien zukunftsoffen gestaltet, entgegnet der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser. „Das heißt, die Formulierungen sind so gewählt, dass sehr viel von dem, was sich mit der Zeit ändert, bereits in den Ausbildungsordnungen enthalten ist.“ Man müsse daher nicht bei jeder Neuerung aktiv werden.

Das BIBB ist gemeinsam mit Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften für die Gestaltung von Ausbildungsberufen verantwortlich. Auch die E-Commerce-Ausbildung stammt vom BIBB. Mit der Initiative „Berufsbildung 4.0“ suchen BIBB und Bundesbildungsministerium aktuell nach weiteren Berufsfeldern mit Handlungsbedarf.

(dpa)
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