Das Rechenzentrum in der Hosentasche

Das Saarland gehört seit Jahren zu den Top-Adressen in der Informatikforschung. In dieser Woche feiert nun das Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken Jubiläum. Es wird 25 Jahre alt.

Saarbrücken. Welche Superlative lassen sich auf Anhieb mit dem Saarland in Verbindung bringen? Versteht sich, dass die Liste im kleinsten Flächenland Deutschlands nicht die längste werden wird. Und doch wird bei der Aufzählung der Meriten oft ein Punkt übersehen. Das Saarland gehört deutschland- und europaweit zu den ersten Adressen der Informatik .

Weit mehr als die Hälfte der Leibniz-Preise dieser Disziplin - die Auszeichnung der Deutschen Forschungsgemeinschaft gilt unter Professoren als Ritterschlag - ging an Informatiker, die im Saarland arbeiten oder studiert haben. Die Saar-Uni kassierte in der Exzellenz-Initiative höchste Ehrungen. Und Saarbrücken ist der erste und war lange der einzige Informatik-Standort der Max-Planck-Gesellschaft , eine der ersten Adressen der Grundlagenforschung. Am Donnerstag ab 14.30 Uhr feiert sie nun auf dem Campus (Hörsaal/Bau E2.2) ein Jubiläum. Das Max-Planck-Institut für Informatik (MPI) wird 25 Jahre alt.

Die Informatik ist eine junge Wissenschaft, einen weltweiten Verband gibt es erst seit 1960, die deutsche Informatik-Gesellschaft seit 1969. Wer nur auf eine so kurze Historie zurückblicken kann, schaut lieber nach vorn. Das Geburtstags-Symposium in Saarbrücken befasst sich in dieser Woche mit der Zukunft einer Wissenschaft, die "die Welt verändert und sie weiter verändern wird", so Professor Kurt Mehlhorn, Gründungsdirektor des MPI.

Was können wir im nächsten Vierteljahrhundert von der Informatik erwarten? "In 20 Jahren ist mein Smartphone so leistungsfähig wie heute ein Großrechner ", prophezeit Kurt Mehlhorn. "Und es wird endlich in der Lage sein, Umgangssprache flüssig zu dolmetschen." Wer da skeptisch dreinschaut, den verweist der Informatiker, der 2015 auch ein persönliches Jubiläum feiert - er forscht seit 1975 in Saarbrücken -, auf die Entwicklungen der jüngeren Zeit. E-Mail gibt's seit 1985, die eigene Internet-Homepage seit dem Ende der 1990er Jahre, Electronic Banking und digitale Fotografie verbreiteten sich erst nach der Jahrtausendwende. Und das Tempo der Veränderungen nimmt noch zu, wie das Smartphone zeigt. Nach dem Moore'schen Gesetz, einer Faustformel der Informatik , verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit der Computerchips alle zwei Jahre. Die Kapazitäten der Computernetze wachsen doppelt so schnell.

Wer in 20 Jahren von einer Internet-Suchmaschine wissen möchte "Wer war Nationaltrainer, als Bastian Schweinsteiger in der Nationalelf spielte?", wird als Antwort nur noch einen einzigen Namen hören, sagt Kurt Mehlhorn voraus. Wer dagegen heute Deutschlands beliebtesten Suchdienst mit dieser Frage konfrontiert, wird von 146 000 Seitenverweisen erschlagen. Den Fortschritt ermöglichen sollen Wissensdatenbanken, wie sie in Saarbrücken entwickelt werden. Sie versetzen Software in die Lage, den Sinn einer Frage zu verstehen. Apropos Sinn: Welchen Sinn hat die Möglichkeit, Massen digitaler Fotos - die Hälfte der Hobbyfotografen schießt mehr als 1000 Bilder pro Jahr - unbegrenzt auf einer Festplatte oder im Internet abspeichern zu können, wenn es schon nach wenigen Monaten nicht mehr gelingt, ein bestimmtes Foto wiederzufinden?

"Computerprogramme werden Ordnung in unsere Sammlungen bringen", verspricht der Saarbrücker Informatiker. Möglich machen das Algorithmen der Bilderkennung - auch die werden in Saarbrücken programmiert. Sie können Menschen und Objekte in Fotos und Videos analysieren. Und da geht es nicht nur darum, einen Schnappschuss mit Tante Trude aufzuspüren. Ein solches System solle riesige Bilddatenbanken nach beliebigen Kriterien ordnen. Wenn es sein muss, auch nach der Ansage "Zeige mir alle Fotos, auf denen eine weiße Katze zu sehen ist".

Solche Anwendungen, die unter dem Oberbegriff Big Data zusammengefasst werden, eröffnen Chancen - in ihnen stecken aber auch unübersehbar Möglichkeiten des Missbrauchs. Kurt Mehlhorn sieht die Informatiker heute in ähnlicher Lage wie die Physiker zu Beginn des Nuklearzeitalters. "Wir werden als Techniker, als Ingenieure trainiert. Wir müssen lernen, mehr über die Konsequenzen unserer Arbeit nachzudenken." Für Informatiker würden deshalb Vorlesungen zur Ethik immer wichtiger. "Aber auch die Allgemeinheit muss besser verstehen, was wir tun. Denn nur wer weiß, worum es hier geht, kann mitreden."

Für alle Nutzer digitaler Technik ist eine öffentliche Vorlesungsreihe des Saarbrücker Informatik-Professors bestimmt, die Grundlagen digitaler Verfahren für jedermann erklärt. Die Vorlesung "Ideen und Konzepte der Informatik " wird jeweils montags von 16 bis 18 Uhr im Gebäude E1.4 (Raum 024) angeboten. Aufzeichnungen gibt es über die Internetseite des Max-Planck-Instituts.

resources.mpi-inf.mpg.de/

departments/d1/teaching/

ws14/Ideen-der-Informatik

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HintergrundIm Max-Planck-Institut für Informatik (MPI) arbeiten 229 Informatiker und andere Mitarbeiter in fünf Abteilungen. Das MPI wird von Bund und Ländern je zur Hälfte finanziert. Es hat jährliche Drittmitteleinnahmen von 7,5 Millionen Euro.