Von der Lust am Glanz und ausgetretenen Matten

Berlin. In der Morgensonne schaut sie etwas zerschunden aus: jene lange rote Matte, die zurzeit in Frühstücksfernsehen-Floskeln wie "die Stars und Sternchen auf dem roten Teppich" auch rhetorisch platt gelatscht wird. Abends flanieren hier die geladenen Gäste und Stars in den Berlinale Palast - sofern sie sich ausweisen können

Berlin. In der Morgensonne schaut sie etwas zerschunden aus: jene lange rote Matte, die zurzeit in Frühstücksfernsehen-Floskeln wie "die Stars und Sternchen auf dem roten Teppich" auch rhetorisch platt gelatscht wird. Abends flanieren hier die geladenen Gäste und Stars in den Berlinale Palast - sofern sie sich ausweisen können. Denn ein Warnschild mahnt, neben einer Einladung müsse man auch einen gültigen Personalausweis mitbringen. Ordnung muss sein. Vor Ort hält sich der viel beschworene Glamour also in Grenzen, aber im Fernsehen und in den bunten Blättern wirkt das Ganze dann schon viel bunter, fast schon hollywoodesk - die Lust am Glanz ist bei Publikum und den Medien ungebrochen, und die Berlinale bedient das gut und gerne. Nicht zuletzt der Sponsoren wegen, wie BMW und L'Oreal, deren Logos im Festivaltrailer so präsent sind, dass man den Bären der Berlinale in einem müden Moment im Kinoparkett schon mal für den Löwen von Peugeot halten kann (übrigens kein Sponsor).Festivals lieben Stars, denn sie bringen Aufmerksamkeit, auch wenn sich der Wettbewerb dem Sperrigen, Unkommerziellen widmet. Und Stars lieben Festivals, weil sie dort ihr jüngstes Produkt vorstellen können. Das ist weder neu noch verwerflich, sondern Geschäft. Den größten Auftritt hat in diesem Jahr Angelina Jolie: Sie hat als Regisseurin einen achtbaren Film über den Balkankrieg gedreht, "In the Land of Blood and Honey", mit bosnischen Darstellern, in Originalsprache, ohne Stars oder Happy End. Kein Stoff also für volle Kinos, was sich schon beim erfolglosen US-Start gezeigt hat. Doch alle Welt liebt Angelina Jolie, und so hat die Berlinale den Film gern in ihr "Special"-Programm aufgenommen, zumal die Regisseurin mitreist - da hätte sie wohl auch einen Stummfilm über das Trocknen von Farbe an einer Wand drehen können.

Und so ist ihre Pressekonferenz im Hyatt-Hotel überfüllt, die Fotografen drängeln sich, als Jolie nach obligatorischer Superstar-Verspätung mit ihren Darstellern auftritt. Die loben sie alle so überschwänglich, als "Schwester", "Mutter für uns alle" und "perfekte Regisseurin", dass es schon etwas peinlich wird. Die andächtige Stimmung stört nur ein Reporter, der kritisiert, Jolies Film lasse die Hintergründe des Krieges im Dunkeln. Nach der Replik "Das können Sie so sehen, ich und viele andere sehen das nicht so" kehrt wieder Harmonie ein - die Presse hat ihre Bilder und Zitate, die Regisseurin ihren sperrigen Film verkauft (in zwei Wochen startet er bei uns), und alle sind zufrieden.

Manche Journalisten scheinen generell dankbar ob der Starpräsenz. Dann kommt es etwa zu solchen Fragen wie an Diane Kruger aus dem Eröffnungsfilm "Adieu à la reine": "Sie haben so wunderschön ausgesehen in Ihren schönen Kostümen. Haben Sie sich da noch mehr als Frau gefühlt?" Oder: "Wieso liegt Ihnen die Berlinale so am Herzen, dass Sie ihn hier zeigen?" - ignorierend, dass man durchaus erst mal eingeladen werden muss. Ein anderes bizarres Phänomen der Pressekonferenzen sind die Journalisten, die am Ende der Fragerunde Richtung Podium huschen, kritische Distanz aufgeben, brav um ein Autogramm anstehen und im Erfolgsfall selig lächeln. Immerhin haben sie da meist mehr Glück als die Normalverbraucher, die geduldig in Eiseskälte am Nebenausgang des Hotels warten und hoffen, einen Star dabei zu beobachten, wie er in eine Limousine steigt. Manche drängeln sich da, ohne zu wissen, wer gleich erscheint - ein Star ist eben ein Star.

saarbruecker-zeitung.de/

kinoblog

Hintergrund

Im Wettbewerb der 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin konkurrieren 18 Filme um den Goldenen und die Silbernen Bären. Weitere Produktionen werden außer Konkurrenz gezeigt. Mit fast 300 000 verkauften Karten gilt die Berlinale in der Filmbranche als das größte Publikumsfestival der Welt. Sie ist ähnlich wichtig wie die Festivals in Cannes und Venedig. dpa

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