EU-Pläne zu Trinkwasser Europa nimmt das Wasser in die Hand

Brüssel · Die EU-Kommission will, dass alle Bürger künftig den gleichen Zugang zu Trinkwasser haben. Der ist nämlich nicht überall so gut wie in Deutschland.

1,6 Millionen Unterschriften – das hat die Brüsseler EU-Kommission beeindruckt. „Die Bürger haben einen garantierten Zugang zu sauberem Trinkwasser gefordert. Wir haben ihre Forderung gehört und beherzigt.“ Mit diesen Worten stellte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans in Brüssel gestern die Antwort der EU auf das bisher erfolgreichste Bürgerbegehren „Right2Water“ von 2013 vor. Damals ging es den Initiatoren vor allem darum, eine Privatisierung der öffentlichen Trinkwasser-Versorgung zu verhindern. Die Befürchtungen waren groß, dass Anleger großer Konzerne sich dieser elementaren Lebensader bemächtigen würden und an der Preisschraube drehen, sodass Wasser für einige Bevölkerungsschichten unerschwinglich wird.

Nach Angaben der Kommission haben derzeit elf Prozent der EU-Bürger in den 28 Mitgliedstaaten gar keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser. Das soll sich nun ändern. Zu den Kernpunkten der neuen EU-Strategie gehört die Auflage, „in öffentlichen Räumen Trinkwasser-Anlagen einzurichten“, damit vor allem schutzbedürftige und ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen genug zu trinken haben. Darüber hinaus will die Union durchsetzen, dass die Menschen in den Mitgliedstaaten transparent über die Qualität des Wassers aus den Leitungen informiert werden. „Die Verbraucher sollen sich für den nachhaltigen Weg entscheiden können, beispielsweise Leitungswasser zu trinken“, sagte Kommissionsvize Jyrki Katainen. Damit würde sich auch in Deutschland einiges ändern. Und damit schließt die EU den Kreis zur Abfall-Richtlinie, die erst vor zwei Wochen präsentiert wurde. Denn: Wer öfter zum Wasser aus der Leitung greift, braucht keine Einweg-Plastikflaschen. Die EU-Behörde hat ein Einsparvolumen für die Haushalte von rund 600 Millionen Euro im Jahr errechnet, plus deutlich geringere Belastungen der Meere – durch den Verzicht auf Plastik.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden gleichzeitig die Normen für gesundes Wasser neu gefasst. So will die EU die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation übernehmen, damit krankheitserregende Bakterien und Viren ausgefiltert, natürlich vorkommende, aber schädliche Stoffe wie Uran oder Mikrozystine eliminiert werden und Industrieabfälle wie perfluorierte Verbindungen nicht ins Trinkwasser gelangen. Das gleiche gilt für Nebenprodukte der Desinfektion oder Verunreinigungen mit Chlorat, Bisphenol A und Hallogenessigsäuren. Ähnlich detailliert sind auch die Vorgaben für die Wasserleitungen, die künftig erhöhten Anforderungen genügen müssen.

Die Privatisierung bleibt dennoch ein Streitthema. Zwar zieht die Kommission sich in einer Erklärung ausdrücklich auf ihre „Neutralität gegenüber nationalen Entscheidungen“ zurück. Und sie betont sogar, bei Freihandelsabkommen sicherzustellen, dass „die auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffenen Entscheidungen über die Verwaltung von Wasserdienstleistungen respektiert und gesichert werden“. Kritiker halten der EU allerdings entgegen, sie habe ausgerechnet bei der Sanierung Griechenlands darauf bestanden, dass die Regierung die Trinkwasser-Versorgung privatisieren muss. Im September 2016 sah sich das Parlament in Athen gezwungen, einen entsprechenden Beschluss ihrer europäischen Geldgeber ins Gesetz zu schreiben. Die Kommission in Brüssel hatte die Auflage mit unterschrieben. Für die Initiatoren und Unterstützer des Bürgerbegehrens „Right2WAter“ dürfte der gestrige Tag dennoch ein großer Sieg sein.

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