Fettleibigkeit Ärzte fordern Strategien gegen Übergewicht bei Kindern

Berlin · Je ärmer, desto fettleibiger – Kinder aus sozial schwachen Familien leiden häufiger unter krankmachenden Pfunden. Experten beraten über Gegenmaßnahmen.

 Mehr Obst wäre hilfreich: Kinder aus ärmeren Familien leiden häufiger unter Übergewicht.

Mehr Obst wäre hilfreich: Kinder aus ärmeren Familien leiden häufiger unter Übergewicht.

Foto: dpa/Jens Büttner

Übergewichtige Kinder in Deutschland sind längst keine Seltenheit mehr. Das hat auch mit der sozialen Ungleichheit zu tun. Die Organisationen der Kinder- und Jugendärzte forderten deshalb gestern in Berlin neue Strategien im Kampf gegen die überschüssigen Pfunde. Dazu zählen eine Zuckersteuer sowie Werbebeschränkungen für Produkte mit besonders hohem Fettgehalt.

Die Fakten: Nach einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts ist fast jedes sechste Kind in Deutschland übergewichtig. Unter Adipositas, also einem krankhaften Übergewicht, leiden 5,5 Prozent der Mädchen und 6,3 Prozent der Jungen. Die Fettleibigkeit ist mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung verbunden. Der Verlust von gesunden Lebensjahren durch Übergewicht bei jungen Erwachsenen liegt je nach Ausprägung zwischen sechs und 19 Jahren. Das Sterberisiko bei adipösen Jugendlichen ist in den nachfolgenden vier Jahrzehnten fast fünfmal höher als bei ihren normalgewichtigen Altersgenossen. Besonders anfällig sind die Betroffenen für Zuckerkrankheiten, Herzinfarkt und Schlaganfall.

Die Entwicklung: Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas bei der jungen Generation in den letzten zehn Jahren zwar weitgehend unverändert geblieben. Doch kam es zu deutlichen Verschiebungen in den sozialen Milieus. Bei Kindern, deren Eltern wenig Geld verdienen und niedrige oder gar keine Bildungsabschlüsse haben, liegt die Adipositas-Häufigkeit aktuell gut viermal höher als bei Kindern in gut situierten Familien. Noch zu Beginn der 2000er Jahre gab er hier „nur“ einen dreifachen Unterschied.

Die Bewertung: BVKJ-Präsident Thomas Fischbach sprach gestern in Berlin von einer dramatischen Zunahme der deutlich schlechteren Gesundheits- und Lebenschancen für Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommens- und Bildungsstand, die nicht mehr länger hinnehmbar seien. Gebraucht würden effiziente Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos. Die Chefin des DGKJ, Ingeborg Krägeloh-Mann, bemängelte, dass alle bisher favorisierten Gegen-Strategien zumeist nur die ohnehin interessierten Familien erreicht hätten. Da der größte Risikofaktor für kindliches Übergewicht eine ungesunde Ernährung sei, müsse hier zuerst angesetzt werden.

Die Forderungen: Die Verbände der Kinder- und Jugendärzte sowie die Deutsche Adipositas-Gesellschaft machen sich für ein Verbot von zuckerhaltigen Getränken an Kitas und Schulen stark. Zugleich werden Mindeststandards für eine gesunde Gemeinschaftsverpflegung in diesen Einrichtungen gefordert. „Kinder sollen lernen, Wasser zu trinken, um ihre Gesundheit zu schützen“, empfahl die Adipositas-Expertin Susanne Wiegand. Darüber hinaus setzen sich die Fachleute für eine Zuckersteuer sowie eine Beschränkung von der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung ein. Denn nach allen Erkenntnissen würden Kinder, die  dieser Werbung ausgesetzt seien, mehr ungesunde Speisen und Getränke zu sich nehmen, meinte Wiegand.

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