Labour-Party schrammt an Desaster vorbei

London · Labour-Chef Jeremy Corbyn kann nach den britischen Regionalwahlen aufatmen. Doch seine Partei steht weiter unter Druck. In Schottland verliert sie an Boden. Anderswo bejubelt die EU-feindliche Ukip einen Erfolg.

Die Worte klangen erleichtert und ganz so, als würde er sie nicht nur an die Öffentlichkeit richten, sondern sie sich auch selbst zurufen: "Ich mache weiter", sagte der umstrittene britische Labour-Chef Jeremy Corbyn am Freitagmorgen. Es war der Tag, auf den sich die Sozialdemokraten vorbereitet hatten. Sie hatten mit einem schwarzen Freitag gerechnet, der auf den "Super-Donnerstag" folgen würde, wie ihn die Medien getauft hatten. Da war ganz Großbritannien zur Wahl aufgerufen, unter anderem zur Neuwahl der Regionalparlamente in Schottland, Wales und Nordirland, zu Bürgermeisterwahlen, etwa in London und Liverpool und zur Wahl neuer Stadtversammlungen und Gemeinderäte. Doch ganz so schwarz wurde der Tag danach dann doch nicht für die Sozialdemokraten .

Nach acht Jahren mit dem schillernden Boris Johnson zieht ein Sozialdemokrat als Bürgermeister Londons in die City Hall ein. Sadiq Khan ist der erste Muslim an der Spitze der Hauptstadt. Es war ein Duell zwischen zwei Kandidaten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Khan, pakistanischstämmiger Einwanderersohn aus der "working class" und EU-Freund gegen Zac Goldsmith aus der "upper class" und EU-Gegner. Am Ende setzte sich Khan durch.

Während mit Khans Erfolg in London gerechnet worden war, schlugen sich die Sozialdemokraten auch im Rest Englands besser als erwartet. Nach dem katastrophalen Ergebnis der Parlamentswahl im Mai 2015 scheint sich Labour etwas zu erholen. Außer in Schottland. Während die schottische Unabhängigkeitspartei SNP in dem nördlichen Landesteil zwar die absolute Mehrheit verloren, aber wieder die meisten Sitze gewonnen hat, konnte die Labour-Partei Schottlands dieses Mal nicht einmal mehr den zweiten Platz verteidigen. Sie wurde von den Konservativen verdrängt, die über Jahrzehnte in weiten Teilen nicht nur unbeliebt, sondern geradezu verhasst waren. "Wir haben Geschichte geschrieben", sagte die SNP-Vorsitzende Nicola Sturgeon.

Während die EU-Frage im Vorfeld dieser Regional- und Kommunalwahlen zwar kaum Thema bei den Kandidaten gewesen war, hatten politische Beobachter den Wahltag trotzdem immer wieder als Gradmesser für das Referendum angekündigt. Dass in Wales die EU-feindliche Ukip-Partei einen großen Erfolg feiern kann, dürfte der Diskussion um die EU und Einwanderung geschuldet sein. Die Rechtspopulisten ergatterten mehrere Sitze und ziehen damit zum ersten Mal überhaupt ins Parlament ein. Der Chef der EU-feindlichen Ukip-Partei Nigel Farage sprach von einem "Durchbruch". Dieser "Super-Donnerstag" war tatsächlich ein Gradmesser, aber weniger für das anstehende EU-Referendum als vielmehr für den problematischen Zustand der großen Parteien.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort