Papst fordert Rückkehr zu den Idealen Europas

Rom · Für seine Verdienste um Europa ist Papst Franziskus gestern mit dem renommierten Karlspreis ausgezeichnet worden. Er nutzte die Gelegenheit, um dem Kontinent ins Gewissen zu reden.

 Papst Franziskus betete am Mittwoch für „die Toten, die Verletzten, die Angehörigen und das ganze belgische Volk“. Foto: Giorgio Onorati/dpa

Papst Franziskus betete am Mittwoch für „die Toten, die Verletzten, die Angehörigen und das ganze belgische Volk“. Foto: Giorgio Onorati/dpa

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Papst Franziskus hat die Europäische Union mit eindringlichen Worten zu einer Besinnung auf die Ideale ihrer Gründerväter aufgefordert. Anlässlich der Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen gestern im Vatikan appellierte das Oberhaupt der Katholiken an eine Kultur des Dialogs und der Integration. "Was ist mit Dir los, humanistisches Europa, Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit?", fragte der Papst bei der Zeremonie, an der auch Kanzlerin Angela Merkel und hohe EU-Vertreter teilnahmen.

Franziskus sagte, er träume "von einem Europa, in dem das Migrantsein kein Verbrechen ist". Auch wünsche er sich ein Europa, "von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand". Der Papst verwies auf die großen Europäer Schuman und Adenauer, die auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs "ein Bollwerk des Friedens" geschaffen hätten. Inzwischen sei der Kontinent müde und resigniert, die "großen Ideale" hätten offenbar "ihre Anziehungskraft verloren". Der Papst appellierte, allen Menschen eine würdige Arbeit zu geben - vor allem der Jugend, damit sich diese nicht abwende. Er forderte die Suche nach neuen Wirtschaftsmodellen, die dem Wohl der Menschen dienten und nicht den Profit in den Mittelpunkt stellten. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise kritisierte der 79-Jährige, dass eine Kultur der Abschottung an die Stelle der Dialogbereitschaft getreten sei.

"Klare Botschaft"

Merkel würdigte die Rede des Papstes als "Ermutigung" und "klare Botschaft". Er habe die Europäer aufgefordert, drei Dinge zu beachten: "Die Fähigkeit zum Dialog, die Fähigkeit zur Integration und die Fähigkeit, etwas hervorzubringen." EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte, Franziskus lebe vor, dass Solidarität und Nächstenliebe "nicht nur wohlklingende Worte" seien. Europa sei "mehr als eine ökonomische Zweckgemeinschaft", in der man an einem Tag Vollzeiteuropäer sei, weil man etwas bekomme, und an einem Tag Teilzeiteuropäer, weil man etwas abgeben solle.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx , lobte den Optimismus, mit dem Franziskus "uns Mut macht, Europa, ja die Welt zu verändern". Besonders gelte das für die Aufnahme von Menschen in Not. "Es reicht nicht, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben - wir müssen sie in unseren Herzen aufnehmen."

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