Bessere Pflege für mehr Menschen

Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen können hoffen: Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, das heute vom Bundeskabinett verabschiedet wird, soll sich ihre Lage spürbar verbessern. Durch die neuen Bestimmungen können mittelfristig bis zu 500 000 Menschen mehr als bisher von den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung profitieren. SZ-Korrespondent Stefan Vetter gibt Antwort auf die wichtigsten Fragen zur Reform.

 Pflegende Angehörige sollen durch die Reform besser sozial abgesichert werden. Foto: Fotolia

Pflegende Angehörige sollen durch die Reform besser sozial abgesichert werden. Foto: Fotolia

Foto: Fotolia

Was ändert sich grundsätzlich?

Mit der 1995 eingeführten Pflegeversicherung wurden bislang vornehmlich die körperlichen Gebrechen von Menschen berücksichtigt und ihre daraus resultierende Hilfsbedürftigkeit in drei Pflegestufen "umgerechnet". Dadurch kamen insbesondere Demenzkranke zu kurz, die oft noch körperlich fit sind, aber wegen psychischer Störungen eine geeignete Betreuung benötigen. Für die künftige Begutachtung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) soll daher der Umfang der noch verbliebenen, individuellen Selbstständigkeit ausschlaggebend sein. Je geringer er ist, desto mehr zahlt die Versicherung.

Wie funktioniert das neue System?

Die bisherigen drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade abgelöst. Für die Klassifizierung entscheidend sind künftig sechs Bereiche: die Mobilität des Betroffenen, seine Fähigkeit zur Selbstversorgung, psychische Probleme, seine kommunikativen Fähigkeiten sowie krankheitsbedingte Anforderungen und soziale Kontakte. Für jeden Bereich gibt es vom MDK Punkte. Ihre Summe entscheidet über die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.

Was ist mit den heute schon Pflegebedürftigen?

Für die 2,7 Millionen Pflegebedürftigen, die nach dem alten System begutachtet wurden, gibt es einen Bestandsschutz. Das heißt, es bleibt mindestens bei den bisherigen Leistungen. Viele erhalten sogar mehr. Die Umstellung erfolgt automatisch. Wer ausschließlich körperliche Gebrechen hat und sich nicht neu einstufen lassen will, rutscht dabei in den nächsthöheren Pflegegrad, also zum Beispiel von Pflegestufe I in den Pflegegrad 2. Demenzkranke kommen zwei Stufen nach oben. Wer sein Recht wahrnimmt und sich neu begutachten lässt, kann bei entsprechend festgestelltem Hilfebedarf auch in eine noch höhere Stufe kommen. Umgekehrt gilt aber: Wäre nach der neuen Prüfung eine niedrigere Einstufung geboten, dann wird darauf verzichtet.

Wie ist der Eigenanteil geregelt?

Bisher liegen die Zuzahlungen bei der Heimunterbringung je nach Pflegestufe zwischen 460 und 900 Euro. Künftig ist der Eigenanteil unabhängig vom Pflegegrad auf durchschnittlich 580 Euro festgelegt. Damit soll verhindert werden, dass Betroffene aus finanziellen Zwängen auf eine eigentlich notwendige Höherstufung verzichten, was in der Praxis häufiger vorkommt. Betroffene mit einem vergleichsweise geringen Pflegeaufwand werden so nach dem neuen System etwas stärker zur Kasse gebeten, schwerere Pflegefälle (Pflegegrade 3 bis 5) kommen dagegen besser weg als bisher. Besagter Eigenanteil bezieht sich allerdings nur auf den reinen Pflegebedarf. Die Kosten für Verpflegung und Unterbringung kommen noch oben drauf.

Was ändert sich für Angehörige ?

Pflegende Angehörige werden besser sozial abgesichert. Wer etwa die Mutter oder den Vater mindestens zehn Stunden an zwei Tagen in der Woche pflegt, soll Anspruch auf eine höhere Rente bekommen. Nach bisherigem Recht war dazu ein Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden pro Woche erforderlich. Darüberhinaus wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU ) noch um einen Passus erweitert, wonach pflegende Angehörige , die dafür ihren Job aufgeben oder aus der Arbeitslosigkeit kommen, besser in der Arbeitslosenversicherung abgesichert werden. Bislang wurden für Pflegende maximal sechs Monate lang entsprechende Beiträge gezahlt. Künftig gilt das für ihre gesamte Pflegezeit.

Was kostet die Reform?

Ab 2017 stehen jährlich fünf Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Finanziert wird das durch eine weitere Anhebung des Pflegebeitrags auf dann 2,55 Prozent. Jetzt sind es 2,35 Prozent. Kinderlose zahlen 2,8 statt wie jetzt 2,6 Prozent. Für den Systemübergang werden einmalig 4,4 Milliarden Euro zusätzlich fällig. Sie kommen aus den Reserven der Pflegeversicherung . Gegenwärtig liegen sie bei 6,5 Milliarden Euro .

Zum Thema:

HintergrundDie Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, stieg zwischen 2011 und 2013 um fünf Prozent auf knapp 2,7 Millionen Menschen. Experten schätzen, dass die Zahl bis 2030 auf 3,5 Millionen steigt.71 Prozent der Menschen, die Leistungen erhalten, lebten 2013 in den eigenen vier Wänden.65 Prozent der Pflegebedürftigen war weiblich. In Deutschland gab es 2013 rund 12 700 ambulante Pflegedienste mit 320 000 Beschäftigten. In den rund 13 000 Pflegeheimen waren 685 000 Menschen beschäftigt. kna

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort