Nachwirkungen der Finanzkrise Griechischer Patient verlässt Intensivstation

Brüssel/Athen · Griechenland berappelt sich allmählich. Doch die steigenden Einnahmen werden nicht zuletzt auch durch geringere Sozialausgaben erkauft.

 Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Foto: picture alliance / dpa/Laurent Dubrule

Im August 2018 will Griechenland wieder finanziell auf eigenen Beinen stehen. Das erscheint nicht einmal unmöglich. Selbst aus den Reihen der europäischen Geldgeber hieß es vor dem Beginn einer neuen Prüfung der Reformschritte, das Land werde die Gelder des dritten Hilfspaketes nicht völlig aufbrauchen.

Alexis Tsipras hat einen Traum. „Dieses Abenteuer wird im August 2018 sein Ende haben“, sagte der griechische Ministerpräsident am Wochenende, kurz bevor die Experten der europäischen Geldgeber gestern zum dritten Mal in Athen ankamen, um die Reformschritte des Landes zu überprüfen. Doch nicht nur die Zuversicht des hellenischen Regierungschefs ist neu, auch auf europäische Seite gab es bereits im Vorfeld Signale, die auf Besserung schließen lassen: „Wir freuen uns, dass die Darlehenssumme für Griechenland deutlich unter dem ESM-Programmdeckel von 86 Milliarden Euro bleiben dürfte“, erklärte der Chef des Eurorettungsfonds, Klaus Regling, jetzt in einem Interview. 40,2 (von 86) Milliarden Euro hat Athen bisher erhalten. Weitere 18 Milliarden werden im nächsten Jahr gebraucht. Aber dann stehen vorerst keine größeren Beträge zur Ablösung an.

Das käme Athen entgegen, denn Tsipras und sein Finanzminister Euklid Tsakalatos planen offenbar, eine Reserve von zwölf bis 15 Milliarden Euro anzulegen – sozusagen als Notkasse, falls es Rückschläge gibt. Sollte die Konjunktur mitspielen, sieht es danach aber nicht aus. Für 2018 rechnet der hellenische Finanzminister mit einem Primär­überschuss (ohne die Kosten für den Schuldendienst) von 3,8 Prozent. Die Geldgeber hatten 3,5 Prozent vorgegeben. Das Klassenziel wäre erreicht. Das Wirtschaftswachstum könnte – laut der Prognose aus Athen vom Mittwoch vergangener Woche – bei einem guten Plus von 2,5 Prozent liegen, nach 1,6 Prozent im laufenden Jahr. Und sogar die Arbeitslosigkeit würde von derzeit 21,7 auf 20,2 Prozent bis Ende 2018 sinken.

Als entscheidend gilt in Brüssel aber eine Zahl, die Tsipras selbst nannte: Demnach stiegen die Investitionen aus dem Ausland 2016 um 160 Prozent, im ersten Halbjahr 2017 um weitere 170 Prozent. Gleichzeitig muss Athen an den Börsen für Staatsanleihen „nur“ noch knapp fünf Prozent Rendite zahlen, so wenig wie zuletzt 2009. Experten nennen das einen klugen Schachzug, weil der Finanzminister auf diese Weise Papiere günstig zurückkaufen könnte, um damit die Staatsschuld zu senken. Anschließend sei es leichter möglich, neue Emissionen lukrativer anzubieten – ein wichtiger Schritt, damit Athen wieder selbstständig auf dem Kapitalmarkt Geld leihen kann.

Vor diesem Hintergrund wird erwartet, dass die Prüfer der vier Geldgeber (EU-Kommission, Europäische Zentralbank, ESM-Eurorettungsfonds und Internationaler Währungsfonds) bereits am kommenden Montag der Eurogruppe erste positive Signale vorlegen, bevor der vollständige Bericht im Januar fertiggestellt wird. In Brüssel geht man davon aus, dass auch diese gründliche Durchleuchtung stabil ausfällt und somit eine der wichtigsten Voraussetzungen für anschließende Schuldenerleichterungen geschaffen wäre: ein gutes Zeugnis für Griechenland.

Auch wenn das Land dafür teuer bezahlen wird. Denn der Finanzminister hat zusätzliche Einnahmen nicht zuletzt durch Kürzungen im Sozialbereich und bei staatlichen Leistungen erreicht. Allerdings werden auch die Touristen ihren Beitrag leisten müssen: Ab 1. Januar 2018 steigen die Preise für einen Urlaub in Hellas. Der Grund: Ab dann erhebt Athen eine „Schlafsteuer“ von fünf Euro pro Person und Übernachtung.

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