Gewerkschaft haftet für Streik

Erfurt · Wann muss eine Gewerkschaft für den Schaden durch einen Arbeitskampf haften? Wenn der Streik rechtswidrig ist, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Demnach reicht bereits eine Forderung, bei der die Friedenspflicht noch gilt.

 Fraport hat im Streit um einen Lotsenstreik von 2012 einen millionenschweren Schadenersatzprozess gewonnen. Foto: dpa

Fraport hat im Streit um einen Lotsenstreik von 2012 einen millionenschweren Schadenersatzprozess gewonnen. Foto: dpa

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Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) kommt ein Verstoß gegen die Friedenspflicht bei einem mehrtägigen Streik am Frankfurter Flughafen teuer zu stehen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wertete den Arbeitskampf der Vorfeldlotsen im Februar 2012 als rechtswidrig, weil einzelne Forderungen der Gewerkschaft in dem Arbeitskampf noch der Friedenspflicht unterlagen. Die Bundesrichter gaben im Gegensatz zu den Vorinstanzen in Hessen einer Schadenersatzklage des Flughafenbetreibers Fraport statt (1 AZR 160/14). Fraport bezifferte die Forderung für Einnahmeverluste durch Hunderte ausgefallene Flüge auf rund 5,2 Millionen Euro.

"Der von der GdF getragene, als einheitliche und unteilbare Handlung zu beurteilende Streik war rechtswidrig", heißt es in der BAG-Entscheidung. Der Einwand der GdF, sie hätte den Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt, sei "unbeachtlich". Das Grundsatzurteil zum Streikrecht kann nach Einschätzung von Fachleuten Auswirkungen auf Arbeitskämpfe auch anderer Gewerkschaften haben.

Die genaue Höhe der Schadenersatzzahlungen muss nun das Hessische Landesarbeitsgericht festlegen. Fraport nehme die Entscheidung zur Kenntnis, werde sie jedoch bis zur Vorlage der schriftlichen Urteilsbegründung nicht kommentieren, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Existenz der Gewerkschaft sei durch den verlorenen Rechtsstreit nicht gefährdet, sagte GdF-Chef Matthias Maas. Die Gewerkschaft vertritt bundesweit knapp 4000 Mitglieder.

Einen Schadensatzanspruch der Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin, die ebenfalls geklagt hatten, verneinten gestern die Bundesarbeitsrichter. Gewerkschaften können nach einem BAG-Urteil von 2015 nicht für Folgekosten haftbar gemacht werden, die bei nicht direkt bestreikten Unternehmen entstehen.

Die Anwälte der Gewerkschaft der Flugsicherung warnten, das Streikrisiko für Gewerkschaften zu erhöhen. "Es sollte nicht sein, dass man für eine relativ nebensächliche Forderung, die möglicherweise rechtlich angreifbar ist, ein hohes Risiko bei Streiks eingehen muss", sagte der Anwalt der GdF, Dirk Vogelsang.

Meinung:

Gericht setzt enge Grenzen

Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläger

Das Streikrecht genießt einen hohen Schutz. Aus der Sicht der Passagiere mag es lästig sein, wenn Züge stillstehen oder Flugzeuge am Boden bleiben, weil die Mitarbeiter bessere Bedingungen durchsetzen wollen. Grundsätzlich ist das jedoch ein wichtiges Mittel, um Arbeitnehmerrechte zu sichern.

Als die Gewerkschaft der Fluglosten jedoch einen Streik genutzt hat, um eine ihr genehme Schlichterempfehlung durchzusetzen, hat sie zu hoch gepokert. Das Gericht hat klar gemacht, dass für Forderungen, die der Friedenspflicht unterliegen, Streik keine Option ist - auch wenn es nur nebensächliche Teilforderungen sind. Für Gewerkschaften ist das Urteil eine harte Nuss - denn das Gericht setzt dem Streikrecht damit noch einmal engere Grenzen.

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