Erfrischendes Spiel mit Zitaten

Saarbrücken · Saarlandmuseum geschlossen (Hausumbau), Stadtgalerie auch (Ausstellungsumbau) und trotzdem bloß zwei versprengte Besucher an einem Tag in der K4-Galerie: Kann das sein? Dabei lohnt das dort Gezeigte – eine schrille Doppelschau der beiden Hallenser Künstler (und alten Jugendfreunde) Moritz Götze und Rüdiger Giebler – den Gang in die Saarbrücker Karlstraße.

 Moritz Götzes 2016 entstandener Siebdruck „Schwarz, Rot, Gold“, zu sehen auch als gewaltige Emaillearbeit. Fotos: © VG Bildkunst, Bonn

Moritz Götzes 2016 entstandener Siebdruck „Schwarz, Rot, Gold“, zu sehen auch als gewaltige Emaillearbeit. Fotos: © VG Bildkunst, Bonn

Eineinhalb Jahre lang lief nichts in Werner Dellers Saarbrücker Galerie, weil der Galerist vom Umbau seiner St. Ingberter Baumwollspinnerei völlig absorbiert war. Für Götze/Giebler aber sperrte Deller gerne wieder auf - 2007 zeigte er schon einmal Arbeiten von Götze, damals fast zeitgleich mit dessen großer Schau im Saarlandmuseum, in deren Zentrum seinerzeit Götzes malerische wie comicartige Reflexionen über Anton von Werner stand - den großen Historienmaler der Kaiserzeit, der zur Eröffnung des Hauberissersaals im Saarbrücker Rathaus einst sieben, seit Jahrzehnten eingelagerte Monumentalgemälde geschaffen hatte.

Und nun also "Made in Kaisersaschern", wie Moritz Götze und Rüdiger Giebler ihr auf eine Grand Tour quer durch die Republik und die Welt geschicktes Ausstellungsprojekt (Saarbrücken ist die dritte Station nach Brüssel und Karlsruhe) nennen - der Titel ist eine Anspielung auf Bazon Brocks "Lehrpfad der historischen Imagination" von 2002, der die ein Millenium in sich tragende Kulturlandschaft zwischen Magdeburg, Halle, Weimar und Prag in Erinnerung rief. Wobei historische Anleihen das anspielungsreiche, zitatenversessene Werk Moritz Götzes wesentlich stärker prägen als die postexpressionistische Malerei von Götzes Malerfreund Rüdiger Giebler.

Anders als Götze (49), der sich längst einen Namen in der Kunstszene gemacht hat, ist sein Kumpan und Nachbar in Halle, Giebler (57), erst noch zu entdecken. Wobei seine ausgereiftesten Arbeiten bei Deller im Obergeschoss hängen. Unter einem teilweise fast kubistisch anmutenden, zarten Pinselgewisch macht Giebler die Gesichter seiner Figuren unkenntlich und fügt sie in ein expressionistisch farblich-aufgeladenes Umfeld ein, das im Malgestus zuweilen an den niederländischen CoBra-Maler Karel Appel erinnert. Zwar fallen Gieblers Aquarelle und auch einige der großformatigen Gemälde ("Der Denker" und "Mann mit Besen") in ihrer farblich wie kompositorisch plakativen Grellheit gegenüber solch homogenen Werken wie "Traumhaus" und "Baustelle" merklich ab; Dennoch zeigt die Auswahl allerhand Potenzial.

Während Giebler seinen Stil nur graduell variiert, springt Moritz Götze von einem Sujet, einer ionographischen Anleihe und einer Materialität zur nächsten, ohne dass sein bemerkenswert variationsreicher Produktivitätsparcour unweigerlich in Beliebigkeiten abdriftete. Götzes nuancierte Emaillemalerei (maßgeblich der herausragende Emailleschrein "Gefangenen Brief" im Obergeschoss und die Cranach-Reminszenz "Adam und Eva" mit deren bibeltext-beschriebenen Körpern) zeigt etwa eine gänzlich andere Handschrift als seine Papierarbeiten, die in ihrer fast naiv-typisierenden Reduktion an Kinderbuch-Illustrationen erinnern. Dem gegenüber stehen Götzes Gemälde, die ihn in der Nachwendezeit bekannt machten: In ihnen stellt, setzt und legt er seine markanten, schablonenhaften Umrissgestalten in stark abstrahierte (Industrie-)Landschaften und spielt dabei mit einem historischen Gestus. Erinnern Kulisse wie Figuren doch überdeutlich an sozialistische Plakatkunst.

Deutlich wird: Der Dekontextualisierungskünstler Götze spielt erfrischend mit biblischen und kunstgeschichtlichen Motiven, mit Comic-Vorlagen und Pop-Art-Attributen und entwickelt daraus einen Zitatenkanon, der nur auf den ersten Blick belanglos wirkt.

Bis 15.5.; Di-Do: 15-19 Uhr; Fr: 11-19 Uhr, So: 15-19 Uhr.

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