Wie die Kanzlerin ihre Truppen in Stellung bringt

Dresden · Merkel hat sich längere Zeit angeschaut, wie sich die Sozialdemokraten in der Koalition profilieren. Zu lange für den Geschmack vieler Christdemokraten. Vor der Europawahl machte die Kanzlerin nun eine Kampfansage – an die SPD.

Eine einfache, verständliche Sprache rät Wahlforscher Matthias Jung der CDU-Führungsriege, die gerade ein 77 Seiten dickes Europawahlprogramm beschlossen hat. Mit der nötigen Kürze für die vielzitierte Würze hat es nicht geklappt. Wer die 77 Seiten lesen soll? Hoffentlich zumindest die Bundesvorstandsmitglieder, heißt es selbstironisch. CDU-Generalsekretär Peter Tauber muss für den Wahlkampf nun einfache Formeln finden.

Für Wahlprogramme interessiere sich aber sowieso kein Mensch, heißt es noch bei der Vorstandsklausur am Samstag in Erfurt. Was zählt, seien beliebte Politiker. Insofern habe die Partei mit ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl die richtige Wahl getroffen. Der frühere CDU-Ministerpräsident David McAllister ist trotz seiner Niederlage bei der Landtagswahl in Niedersachsen vor einem Jahr laut Umfragen dort immer noch der beliebteste Politiker.

Doch gegen den erfahrenen SPD-Kandidaten und EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz setzt die Union auch auf den Luxemburger Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat aller konservativen Parteien in Europa. Überraschend deutlich sprach sich Merkel für ihn aus. In Deutschland wird aber sie selbst vorderste Wahlkämpferin sein.

Merkel hat sich einige Wochen angeschaut, wie sich die SPD in der neuen Koalition profiliert. Sie hat die Sozialdemokraten erst einmal machen lassen. So lange, bis in der eigenen Partei Unbehagen aufkam, ob die CDU nicht langsam mal gegenhalten müsse. Die SPD sei so koordiniert gestartet, wie es die Union nie gewesen sei, meint ein CDU-Abgeordneter. Nun hat Merkel in Erfurt so etwas wie eine Kampfansage gemacht. Die Union soll jetzt wieder ihr wirtschaftspolitisches Profil stärken, sich aber genauso um soziale Themen kümmern - um die der SPD. Merkels Stellvertreter Julia Klöckner, Armin Laschet und Thomas Strobl sollen nun Themengebiete beackern, die im Kabinett bei der SPD liegen. "Wenn Sie in der Umgebung von 40 Prozent Stimmen bekommen wollen, dann müssen Sie diese beiden Dinge gleichermaßen haben." Damit reibt Merkel auch dem gegen soziale Projekte oft aufbegehrenden CDU-Wirtschaftsflügel unter die Nase, dass eine Volkspartei allein mit Wirtschafts- und Industriepolitik kaum 41,5 Prozent erreicht, wie es die Union bei der Bundestagswahl schaffte. Und wie sehr es Merkel bereits jetzt ums Siegen auch bei der Wahl 2017 geht, zeigt diese Bemerkung: In den ersten Jahren der Legislaturperiode müssen die programmatischen Weichen für die nächste Wahl gestellt werden.

Einfache Sprache. Ob ihr das schwerfalle, wird Merkel gefragt. "Mir? Ich glaube nicht. Wenn es darauf ankommt, nicht", sagt sie.

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