Wer durchs Stadttor will, soll wieder zahlen

Brüssel. Für die Kanzlerin ist der Eintrittspreis in die Innenstädte kein Thema. "Wenn die Leute dann zu entfernteren Einkaufszentren fahren, ist der Umwelt auch nicht geholfen", sagte sie vor wenigen Tagen zu der entsprechenden Forderung der Grünen in deren Wahlprogramm. Derweil kommen aus Brüssel ganz andere Töne

Brüssel. Für die Kanzlerin ist der Eintrittspreis in die Innenstädte kein Thema. "Wenn die Leute dann zu entfernteren Einkaufszentren fahren, ist der Umwelt auch nicht geholfen", sagte sie vor wenigen Tagen zu der entsprechenden Forderung der Grünen in deren Wahlprogramm. Derweil kommen aus Brüssel ganz andere Töne. Dort wird die EU-Kommission heute ein Strategie-Papier verabschieden, in dem ein besonders heißes Eisen der künftigen Verkehrsplanung langsam aber sicher hoffähig gemacht werden soll: die City-Maut. Zunächst werde man die "bisherigen Erfahrungen in der EU sammeln und Preis-Modelle zusammenstellen", heißt es da. Dann würden die "Auswirkungen für Umwelt, die öffentliche Akzeptanz und technische Aspekte" in einer Studie erhoben.

Der entscheidende Satz: "Die Erkenntnisse werden in die Arbeit der Kommission einfließen", die derzeit zum Thema Folgekosten von Verkehrsträgern erstellt werden. Anders gesagt: In Brüssel wird die Eintrittsgebühr für die Innenstädte vorbereitet. Eine organisatorische Hürde hat man bereits genommen. Als die Kommunen nämlich die Umweltzonen ausgewiesen haben, die nur noch von Fahrzeugen mit grüner Plakette und schadstoffarmen Motoren benutzt werden dürfen, wurden unbewusst bereits die künftigen City-Regionen festgelegt. So zumindest denkt man in Brüssel. Große europäische Metropolen sammeln bereits seit Jahren Erfahrungen mit der innerstädtischen Zusatzabgabe. In London, Rom, Mailand, Bologna, Stockholm sowie den norwegischen Städten Oslo und Bergen wird der Autofahrer längst zur Kasse gebeten. Die Erfahrungen seien ausnahmslos positiv, berichten Verwaltungen und Bürger.

Im Umfeld der Kommission hieß es gestern, man werde "selbstverständlich" keine City-Maut verordnen, sondern lediglich einen Rahmen für die Mitgliedstaaten schaffen, damit diese wiederum den Kommunen eine Art "rechtliches Gerüst" an die Hand geben können. Zweifel sind angebracht, werfen Kritiker bereits ein. Schließlich habe die EU mit ihren Sanktionen zum Thema Feinstaub ein Netz geschaffen, das anhand von Messergebnissen zeige, wo der Verkehr reduziert werden muss. Darauf wird man aufbauen wollen.

Der Verkehrsexperte der christlich-konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber (CSU), meldet darüber hinaus grundsätzliche Bedenken an: "Die EU hat überhaupt keine Zuständigkeiten für die Verkehrspolitik der Städte. Sie soll sich raushalten", sagte er gegenüber unserer Zeitung. Er rät den Verantwortlichen in der EU-Generaldirektion "Verkehr", sich "besser mit den offenen Fragen zu beschäftigen, die seit Jahren als Problem bekannt und ungelöst sind - wie beispielsweise der grenzüberschreitende Güter-Verkehr." Die Kommission versteht die City-Maut als eines von mehreren Instrumenten, mit denen die Innenstädte vom Verkehr befreit werden sollen. Dazu gehören neue "intelligente Systeme" für den Transport von Lasten ebenso wie eine Verbesserung der kommunalen Nahverkehrssysteme, um den Autoverkehr uninteressant zu machen. Auch in Deutschland kommt die City-Maut offenbar immer mehr in Mode. Der neue Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, sprach sich bereits kurz nach seinem Amtsantritt vor einigen Wochen für ein Eintrittsgeld in die Innenstädte aus.

Bei einer Befragung von City-Bewohnern, die nur wenige Monate zurückliegt, gaben immerhin zwei Drittel der Befragten an, der innerstädtische Verkehr sei eine "unerträgliche Belastung". Dass die Kommission ihre ersten behutsamen Formulierungen keineswegs als unverbindlich ansieht, belegt sie im Übrigen selbst: Sie hat einen entsprechenden Vorschlag für 2011 angekündigt.

Auf einen Blick

In diesen Städten muss gezahlt werden: London: Zwölf Euro kostet zwischen 7 und 18.30 Uhr das Ticket in die Innenstadt. Wer nicht zahlt, wird hart bestraft: 134 Euro. Rom: In der historischen Innenstadt dürfen überhaupt keine privaten Fahrzeuge mehr unterwegs sein. Mailand: Zehn Euro kostet die Fahrt zwischen 8 und 18.30 Uhr. Bologna hat sich dem angeschlossen und verlangt fünf Euro pro Tag. Stockholm: 6,50 Euro kostet die Innenstadt von Stockholm zwischen 6.30 und 18.30 Uhr. Werktags wird die Gebühr gestaffelt, je nachdem wie lange man bleibt. Touristen sind allerdings von der Abgabe befreit. Oslo und Bergen: In beiden Städten gibt es schon seit den 80er Jahren die City-Maut. Sie beträgt 2,20 Euro (Oslo) und 2,70 Euro (Bergen). In Wien, Prag und Edinburgh laufen derzeit konkrete Planungen für eine Abgabe. dr

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