Weder kühl noch herzlich"Wir backen uns einen Präsidenten"Medienrechtler gibt Wulffs Anwalt recht

Berlin. Christian Wulff strafft noch mal den Rücken, seine Frau Bettina neben ihm setzt zum x-ten Mal an diesem anstrengenden Vormittag ihr schönstes Lächeln auf. In der Tür zum Langhanssaal von Schloss Bellevue wartet Angela Merkel, die Bundeskanzlerin. Die Frau, der Wulff seine Präsidentschaft verdankt

 Bundespräsident Christian Wulff und Ehefrau Bettina empfangen Kanzlerin Angela Merkel (l.), die verhalten lächelt. Foto: Kumm/dpa

Bundespräsident Christian Wulff und Ehefrau Bettina empfangen Kanzlerin Angela Merkel (l.), die verhalten lächelt. Foto: Kumm/dpa

Berlin. Christian Wulff strafft noch mal den Rücken, seine Frau Bettina neben ihm setzt zum x-ten Mal an diesem anstrengenden Vormittag ihr schönstes Lächeln auf. In der Tür zum Langhanssaal von Schloss Bellevue wartet Angela Merkel, die Bundeskanzlerin. Die Frau, der Wulff seine Präsidentschaft verdankt. Die vielen Journalisten recken gespannt die Köpfe, wie eine Welle begleitet das Klicken der Fotoapparate Merkel, als sie auf den von Hauskredit- und Mailboxaffäre geplagten Bundespräsidenten zuschreitet. Wird es eine Begegnung der besonders pikanten Art werden?Die Begrüßung ist weder kühl noch herzlich, man duzt sich jedoch, Wulff sagt "Angela". Die Kanzlerin weiß zunächst nicht genau, wo sie sich hinstellen soll. Gleich folgt das Kabinett, einer muss jetzt beim Neujahrsempfang des Präsidenten die Regie übernehmen - es ist Merkel. Nicht Wulff. "Ich muss ja hier bleiben", murmelt sie bestimmend zu den Wulffs, um dann ihren defilierenden Ministern den richtigen Platz anzuweisen. Das hat etwas Symbolhaftes in diesen Tagen. Denn wann immer über einen möglichen Rücktritt des Niedersachsen spekuliert wird, wird die Frage gestellt, ob Merkel ihn noch will, ob sein Scheitern nicht auch ihr Scheiten wäre. Sie gibt die Richtung und den Ton vor. Auch in Bellevue.

Wer nach Hinweisen sucht, welchen Rückhalt der angeschlagene Präsident in den obersten Sphären der deutschen Politik noch hat, der wird hier und jetzt fündig. Es sind kleine Gesten der Kanzlerin, die das Paar stützen und nicht stürzen sollen. So streichelt sie Wulffs Gattin kurz aufmunternd den Arm, und sie geht nicht bewusst auf Distanz zu beiden. Andere signalisieren ihre Unterstützung deutlicher: Außenminister Guido Westerwelle küsst als Einziger die "First Lady" links und rechts auf die Wange. Ein Raunen geht durch den Saal. "Man muss nicht verschweigen, wenn man sich mag!", posaunt Westerwelle. Auch Volker Kauder, Fraktionschef der Union, sendet ein Signal: Er sagt so laut zu Wulff "Alles Gute im neuen Jahr", dass auch die Journalisten ganz hinten es hören können. Die Botschaft ist damit klar: Die Wulff ins Amt gehoben haben, stehen zu ihm. Noch zumindest.

Es ist ein harter Tag für das Präsidentenpaar. 250 Hände müssen sie schütteln, Bücher, CDs, Stifte, viele kleine Geschenke bringen ihnen die Bürger mit, die wegen eines besonderen Engagements ins Schloss eingeladen worden sind. Und das alles findet unter ungewöhnlich genauer Beobachtung der Medien statt. Christian Wulff wirkt am Morgen schon geschafft, auch seiner Frau ist die Anspannung zu Beginn anzumerken. Das legt sich jedoch rasch. Nach gut einer halben Stunde stehen da zwei, die sich immer wieder anstrahlen, die sich gegenseitig etwas zuflüstern; ein Paar, das angesichts der nicht enden wollenden Vorwürfe entweder gut schauspielert oder wirklich zeigen will, dass es mit sich im Reinen ist.

Vielleicht hilft ihnen, dass viele der Eingeladenen ihnen bei der kurzen Begegnung Mut zusprechen: Der Hesse Florian Sitzmann beispielsweise, ein Leistungssportler ohne Beine, wünscht dem Präsidenten "viel Kraft und die Chance, den eigenen Weg zu gehen". Klaus Schlappner, der ehemalige Bundesligatrainer, erzählt, er rate dem Präsidenten, dass man zwar Spiele verlieren könne, "aber die Saison noch nicht um ist". Und der Hamburger Mohammed Khalifa, der sich für das Miteinander von Deutschen und Migranten mit arabischen Wurzeln einsetzt, hat Wulff und seiner Frau eine Papyrus-Rolle mitgebracht. Darauf sei ein altes arabisches Sprichwort zu lesen, sagt Khalifa: "Hinter schlechten Zeiten kommen immer gute Zeiten." Man wird sehen . . .Berlin. Christian Wulff ist ersetzbar, die Frage ist nur von wem. Auch unsere Zeitung hat darüber schon spekuliert. Es gibt aber zwei Arten von Spekulationen. Solche, bei denen man Kandidaten betrachtet, von denen eine nennenswerte Zahl nennenswert wichtiger Politiker sagen, die seien wenigstens theoretisch denkbar. Derzeit bringt dieses Verfahren Joachim Gauck und Klaus Töpfer als halbwegs wahrscheinliche Nachfolger hervor.

Dann gibt es noch Spekulationen, die im Grunde nicht einmal Spekulationen sind, sondern bloß die verborgenen Wünsche von Medien selbst oder gar nur einzelner Journalisten. Am Mittwoch schrieb ein Kommentator im Berliner "Tagesspiegel", es gebe da einen Bewerber, der weit über die Union hinaus auch bei der Opposition Gefallen fände: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Angela Merkel schätze ihn sehr. Der Autor offenbar auch. Nun will Steinmeier bekanntlich aber selbst Kanzler werden, wenigstens Kanzlerkandidat, und mindestens dafür stehen seine Chancen nicht schlecht. Aber wie es so geht: Gestern schrieb ein anderes Hauptstadtblatt, die "Berliner Zeitung", dass Steinmeier "zu Medienberichten" (man beachte den Plural) nur "abwiegelnd" geantwortet habe (man beachte die Bewertung), indem er nämlich sagte, dass er schon ein schönes Amt habe.

Und die "Bild"-Zeitung stieg fast auf einer kompletten Seite ganz groß ein: "Steinmeier als Wulff-Nachfolger gehandelt". Nach derselben Methode wurde im letzten Jahr Peer Steinbrück überraschend zum Kanzlerkandidaten der SPD ausgerufen. Nicht von Helmut Schmidt, sondern viel früher von einem Journalisten des "Spiegel", der den Mann toll findet.

Bald fanden auch andere, das sei gar keine schlechte Idee, schließlich sogar Steinbrück selbst. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" übrigens wünscht sich gerade Verteidigungsminister Thomas de Maizière ins Präsidentenamt und beruft sich auf "Gedankenspiele in der Union". Apropos: Gedankenspiele. Dieses hier heißt "Wir backen uns einen Präsidenten" und geht auch im Sandkasten. wk

Köln. Der Medienrechtler Rolf Schwartmann (Foto: Kölner Forschungsstelle für Medienrecht) stützt die Auffassung des Anwalts von Bundespräsident Christian Wulff, dass Journalistenfragen und die Antworten darauf nicht einfach veröffentlicht werden können. Möglich sei dies nur mit Einwilligung des jeweiligen Journalisten, sagte der Kölner Professor der Deutschen Presseagentur gestern. Schwartmann ist Gründer und Leiter der Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. "Es geht um das Recht am Wort der Journalisten", sagte Schwartmann. "Das Recht am eigenen Wort schützt nicht nur hochtrabende geistige Schöpfungen. Es geht um das Recht zu bestimmen, ob ein Kommunikationsinhalt nur dem Gesprächspartner oder der Allgemeinheit geöffnet wird. Intelligente Fragen sind zudem Geld wert." Da Wulff aber in dem Fernsehinterview von vergangener Woche versprochen habe, alle Fragen und Antworten offen zu legen, sei es nunmehr sehr schwierig, "die anwaltliche Sorgfaltspflicht und das Transparenzversprechen des Bundespräsidenten in Einklang zu bringen".

Um dem Vorwurf zu begegnen, er wolle etwas vertuschen, sei es jetzt eigentlich in Wulffs Interesse, möglichst alles zu veröffentlichen, "beinahe egal, was es ist". So werde es am Ende durch den hohen öffentlichen Druck wahrscheinlich auch kommen, vermutete Schwartmann. Möglich sei dies aber nur mit Einwilligung des Journalisten, der die jeweilige Frage gestellt habe. Inzwischen haben sich erste Medien von sich aus mit einer Veröffentlichung ihrer Anfragen an Wulff und der Antworten darauf einverstanden erklärt. dpa

"Man muss nicht verschweigen, wenn man sich mag!"

 Bundespräsident Christian Wulff und Ehefrau Bettina empfangen Kanzlerin Angela Merkel (links), die verhalten lächelt. Foto: Kumm/dpa

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Außenminister Guido Westerwelle

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