Warum ein Anden-Bauer einen deutschen Energie-Riesen verklagt

Essen · Ein peruanischer Bauer zieht in Deutschland wegen der Luftbelastung durch Kraftwerke gegen den Konzern RWE vor Gericht. Doch kann man einzelne Unternehmen für globale Klimaphänomene verantwortlich machen?

Als der Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya aus dem peruanischen Hochland gestern vor dem Essener Gerichtsgebäude eintrifft, brandet Beifall auf. Eine kleine Gruppe Klimaschützer hat sich vor dem Justizgebäude aufgestellt und hält Transparente in die Höhe. "RWE soll Klimaschaden bezahlen" steht auf einem der Schilder, "Raus aus RWE" auf einem anderen. Für die Umweltaktivisten vor dem Essener Landgericht ist der schmächtige Lliuya so etwas wie ein Held: "Zeig's ihnen", ruft einer der Demonstranten dem 36-jährigen Peruaner zu. Er will dem deutschen Energie-Riesen vor Gericht die Stirn bieten.

"Es geht um Gerechtigkeit", sagt Lliuya laut Dolmetscher kurz vor Beginn der Gerichtsverhandlung über seine Klage, mit der er RWE wegen der Folgen der Klimaerwärmung für seine Heimatregion in Regress nehmen will. Er lebe mit Ehefrau und zwei Kindern in seinem Haus in der Kleinstadt Huarez in den Anden, berichtet der Bauer und Bergführer. Und er lebe in der Angst, dass Wasser aus einer Hochland-Lagune sein Haus überflutet - einer Lagune, die durch schmelzendes Gletschereis anschwillt. "Das ist eine Zeitbombe", sagt seine Anwältin Roda Verheyen.

Lliuya und Verheyen machen die Klimaerwärmung für die Gletscherschmelze verantwortlich - und zu diesem Klimawandel habe RWE als laut Verheyen "größter CO{-2}-Emittent Europas" seinen Teil beigetragen. Deshalb soll das Essener Landgericht nach dem Willen Lliuyas nun feststellen, dass RWE die Kosten für künftige Schutzmaßnahmen vor der drohenden Wasserflut in seiner Heimat tragen muss - und zwar in der Höhe, die dem Anteil des Essener Energieriesen am weltweiten CO{-2}-Ausstoß entspricht. Zumindest aber soll RWE 17 000 Euro für die Finanzierung von Schutzmaßnahmen in Lliuyas Heimatregion zahlen, fordern der Bauer und seine Hamburger Anwältin.

"Es ist das erste Mal, dass sich ein deutsches Gericht mit einem solchen Fall befassen muss", sagt Verheyen. Ihr erstes Etappenziel in dem Rechtsstreit David gegen Goliath ist klar: Sie will erreichen, dass die Essener Zivilkammer in die Beweisaufnahme eintritt - was voraussetzt, dass die Richter die Klage nicht gleich am ersten öffentlichen Verhandlungstag per Urteil abweisen. Und tatsächlich macht der Vorsitzende Richter Klaus Werner Krüger in der mündlichen Verhandlung schnell klar, dass er den Prozess weiterzuführen gedenkt. Zumindest vorerst - denn für den 15. Dezember setzt das Gericht einen sogenannten Termin zur Verkündung einer Entscheidung an. Wenn es schlecht läuft für den Peruaner und gut für RWE, könnte das Landgericht dann ein Urteil fällen, das nur ein Scheitern der Klage zum Inhalt haben könnte. Wenn es gut läuft für den Kläger , wird Richter Krüger einen "Beweisbeschluss" verkünden - das bedeutet, dass die Richter den Fall tatsächlich inhaltlich aufrollen werden.

Für RWE indes steht fest: Die Klage des Kleinbauers aus den Anden besitzt rechtlich keine Grundlage. Mit den Mitteln der Zivilrechts könne man schließlich keine Klimapolitik machen, betont RWE-Sprecher Guido Steffen nach der Verhandlung. Das Klima sei ein "viel zu komplexes Phänomen, um einzelne Effekte miteinander weltweit in Verbindung zu setzen".

Bisher waren ähnliche Klima-Klagen in der Vergangenheit am Nachweis gescheitert, dass das beklagte Unternehmen tatsächlich im konkreten Einzelfall für mögliche Schäden verantwortlich ist. So wies der US Supreme Court 2013 eine Klage der Stadt Kivalina gegen ExxonMobil ab. Der Ölkonzern sollte nach Meinung der Kläger zahlen, weil die Stadt ihn für den Meeresspiegel-Anstieg und eine drohende Überflutung mitverantwortlich machte.

Die Anwältin des Kleinbauern jedenfalls zieht nach der ersten öffentlichen Erörterung der Klage vor Gericht ein positives Zwischenfazit: "Ich bin mit der heutigen Verhandlung sehr zufrieden", sagt Verheyen. Sie hoffe nun, dass die Richter in die Beweisaufnahme eintreten - erst dann nämlich könnten die Beteiligten das schwierige Thema inhaltlich diskutieren, was unabdingbar sei. "Denn die Fakten des Falls sind alle umstritten."

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