Von Gipfel zu Gipfel Ökonom lobt Pläne für Abstimmung

Sie stehen dem angekündigten Referendum in Griechenland positiv gegenüber. Warum?Straubhaar: Ich halte es für eine kluge Entscheidung, das griechische Volk über das Rettungspaket entscheiden zu lassen, weil das Regierungshandeln in Athen dadurch eine demokratische Legitimation erhält

 Welcher Weg führt aus der Krise? Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde gestern anlässlich des G20-Gipfels in Cannes vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy begrüßt. Foto: Grimm/dpa, Hoslet/dpa

Welcher Weg führt aus der Krise? Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde gestern anlässlich des G20-Gipfels in Cannes vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy begrüßt. Foto: Grimm/dpa, Hoslet/dpa

Sie stehen dem angekündigten Referendum in Griechenland positiv gegenüber. Warum?Straubhaar: Ich halte es für eine kluge Entscheidung, das griechische Volk über das Rettungspaket entscheiden zu lassen, weil das Regierungshandeln in Athen dadurch eine demokratische Legitimation erhält. Die anderen Euro-Länder hätten sich sowieso in die Tasche gelogen, wenn sie glaubten, dass die Griechen die einschneidenden Sparmaßnahmen einfach so schlucken würden.

Der erneute Schockzustand an den Märkten und in den europä ischen Regierungszentralen macht Ihnen keine Sorgen?

Straubhaar: Mir macht Sorgen, dass sich die Politik von der kurzfristigen Entwicklung auf den Finanzmärkten treiben lässt, anstatt nüchtern einen strategischen Kurs zu verfolgen.

Wie geht es nun weiter?

Straubhaar: Sagen die Griechen "Ja", bestehen bessere Chancen denn je, dass das Land die Staatsausgaben nachhaltig zurückfährt und sein marodes Steuersystem reformiert. Bei einem "Nein" würden die Griechen dagegen auch noch den letzten Rest an Vertrauen in die strukturelle Veränderungsbereitschaft verspielen.

Und andere Problemstaaten würden mit in den Abgrund gerissen, oder?

Straubhaar: Die Ansteckungsgefahr für Länder wie Italien, Portugal oder Spanien dürfte sich durch den Volksentscheid eher verringern. Denn wenn Griechenland tatsächlich eine ungeordnete Insolvenz in Kauf nimmt, werden die dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung eine abschreckende Wirkung auf andere entfalten.

Das vollständige Interview lesen Sie im Internet unter www.saarbruecker-zeitung.de

Cannes. Das kleine Format ist die Sache von Nicolas Sarkozy nicht. Was hat er sich nicht alles vorgenommen für diesen Gipfel mit den Mächtigsten: das Weltwährungssystem reformieren, die Banken an die Kette legen, die explodierenden Nahrungspreise eindämmen, das globale Wachstum anschieben und natürlich ein Europa präsentieren, das seinen Laden in Ordnung halten kann. Oder, wie es der Slogan des G20-Gipfels auf den Punkt bringen will: "In Cannes wird Geschichte geschrieben." Vermutlich wird es eine andere, als Sarkozy sich wünscht.

Seit Griechenlands Premier Giorgos Papandreou am Montagabend seine Referendums-Rede vor den sozialistischen Abgeordneten in Athen gehalten hat, ist Sarkozys G20-Drehbuch Makulatur. Papandreous Satz "Das ist ein Akt der Demokratie" vernichtete binnen Stunden Milliardenwerte an den internationalen Börsen. Auch wenn sich die Kurse wieder etwas erholten, schlimmer ist - und auf die Schnelle kaum zu reparieren - das zerstörte Vertrauen in den Griechen wie auch in die Kraft der europäischen Gemeinschaft.

Denn genau das wollen Sarkozy, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen europäischen Spitzen den Staats- und Regierungschefs aus Amerika, Asien und Afrika heute und morgen demonstrieren: Stärke, Entschlossenheit, die Fähigkeit zur Reform und Veränderung. Überspitzt formuliert, bedroht nun möglicherweise der Verzweiflungsakt Papandreous die mancherorts immer noch unter den Folgen der letzten Krise leidende Weltwirtschaft. Ökonomen, wie zuletzt von der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), machen genau diese ständige Unsicherheit als Konjunktur-Killer Nummer eins aus.

Um zu retten, was zu retten ist, und um sich von Angesicht zu Angesicht erklären zu lassen, was es mit dieser heimlich ausgeheckten griechischen Volte auf sich hat, lud Sarkozy für den Vorabend des G20-Gipfels zu einer Krisenrunde. Dabei forderten die Spitzenpolitiker von Papandreou einen Zeitplan für die geplante Volksabstimmung. Es gebe "einen gewissen Druck" auf den Athener Regierungschef, berichteten EU-Diplomaten am Rande des Treffens. Die Europäer seien zutiefst schockiert über die Art und Weise der Ankündigung des Referendums. Es gebe Unordnung, die in Europa zu Verunsicherung führe. Heute Morgen wollen die Euro-Länder in der G20-Gruppe zu einem weiteren Sondertreffen wegen der Schuldenkrise zusammenkommen.

Der gescholtene Papandreou könnte schon morgen seinen Job los sein. Der Premier will sich im Parlament der Vertrauensfrage stellen - angesichts einer hauchdünnen Zwei-Stimmen-Mehrheit ein Ritt auf der Rasierklinge. Die Kanzlerin und Sarkozy seien zutiefst verärgert, nicht informiert gewesen zu sein, hieß es von Diplomaten in Cannes. Sicher haben sich einige der düpierten europäischen Partner längst die Frage gestellt: besser mit oder besser ohne Papandreou? Die Finanzmärkte, die gerade wieder ein wenig Vertrauen in die Politik fassten, werden ihr Misstrauen wohl erneut in Wetten auf den wirtschaftlichen Niedergang von Ländern wie Italien und Spanien ummünzen.

Ob nun aus dieser verkaterten Stimmung mutige und überfällige Impulse für den G20-Gipfel kommen? Unwahrscheinlich. Nach dem, was bisher von der Abschlusserklärung öffentlich wurde, ist immerhin zu erwarten, dass schärfere Kontrollen der größten Finanzhäuser der Welt angestoßen werden. Auch die unkontrollierten Milliardenströme in hochriskante Geschäfte will die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer eindämmen. Fraglich ist jedoch, ob beispielsweise im schwelenden Streit um künstliche Wechselkurse - China kontra USA kontra Japan - eine Lösung möglich ist. Statt Geschichte zu schreiben, muss der französische Präsident wohl eher moderieren: auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner.Foto: Vielmo/HWWI

"Mit der Abstimmung wird Griechenland eine klare Botschaft nach innen und nach außen senden."

Griechenlands Premier Giorgos Papandreou zum geplanten Referendum

Hintergrund

Die Volksabstimmung der Griechen über das Sparpaket soll offenbar noch in diesem Jahr und nicht erst im Januar stattfinden. Angesichts der Unruhe an den Finanzmärkten solle das Referendum "so schnell wie möglich" durchgeführt werden, kündigte Regierungssprecher Ilias Mosialos gestern an. Dabei sollten die Bürger lediglich über das Prinzip des Hilfsprogramms und nicht über seine Details abstimmen.

 Welcher Weg führt aus der Krise? Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde gestern anlässlich des G20-Gipfels in Cannes vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy begrüßt. Foto: Grimm/dpa, Hoslet/dpa

Welcher Weg führt aus der Krise? Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde gestern anlässlich des G20-Gipfels in Cannes vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy begrüßt. Foto: Grimm/dpa, Hoslet/dpa

In griechischen Medien wurde inzwischen gerätselt, wie die Fragestellung für das Referendum lauten könne: Ja oder Nein für das Sparprogramm? Für oder gegen die Finanzhilfe? Klar ist, dass es eine Ja-Nein-Frage werden soll. Über die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone wird nach Regierungsangaben aber nicht abgestimmt werden. dpa

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