Vom Umgang mit schlauem Gemüse

Beckingen · Spargelstechen ist ein mühsamer Job – besonders in schwerem Lössboden und bei Dauerregen. Ein Feld-Besuch in Beckingen beim Spargel- und Erdbeerbauer Mark Bernauer.

 Die Spargelstecher Ioana Trifoi, Zbigniew Trebenda, Rafal Kuc und Edyta Trebenda (von links) posieren mit frisch geernetetem Spargel auf einem Feld in der Beckinger Saaraue. Foto: Rich Serra

Die Spargelstecher Ioana Trifoi, Zbigniew Trebenda, Rafal Kuc und Edyta Trebenda (von links) posieren mit frisch geernetetem Spargel auf einem Feld in der Beckinger Saaraue. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra
 Routinierte Arbeit mit dem Spargelmesser. Fotos: Rich Serra

Routinierte Arbeit mit dem Spargelmesser. Fotos: Rich Serra

Der zähe Morast klammert sich an die grünen Gummistiefel, saugt sich unter den Sohlen fest. Nur widerwillig lässt er mit geräuschvollem Schlürfen los, ein Teil bleibt in Form träger Lehmklumpen am Schuhwerk hängen. Fast jeder Schritt im Spargelfeld wird zu einem kleinen Kraftakt. Braune Brühe steht in den Rinnen zwischen den jeweils rund 300 Meter langen Pflanzdämmen, die mit weißen oder schwarzen Folien bedeckt sind und unter denen die weißen Stangen sprießen.

Geh‘n oder bleiben? Der Nieselregen zeigt sich für einen Moment unentschlossen, Zugluft treibt das Thermometer auf gerade mal zehn Grad. "Vor einigen Tagen mussten wir jede Menge Wasser aus den Feldern pumpen", sagt Landwirt Mark Bernauer und zeigt auf eine Reihe grauer Rohre in einem der Gräben. Mühsam ist das Spargelstechen im schweren Lössboden der Beckinger Saar aue auch ohne Dauerregen. Spargelfelder in Sandböden sind zweifellos leichter abzuernten. Dafür sei der Geschmack des zarten Gemüses aus den hiesigen Lehmböden aber aromatischer, versichert der 34-jährige Diplom-Gartenbauingenieur, der mit seiner Frau Katharina einen Spargel- und Erdbeerhof in Heusweiler betreibt.

Nicht einmal der Dauerregen kann der Qualität des Spargels wirklich etwas anhaben - vorausgesetzt, er wird wettergerecht behandelt, denn klatschnasse "Füße" beispielsweise vertragen die edlen Stangen nicht. Unter der Kälte leidet allenfalls die Quantität: Verglichen mit der vergangenen Saison wird es in dieser rund 30 Prozent weniger Spargel geben, hat Bernauer berechnet.

Seine Erntehelfer - im Beckinger Feld sind es sieben Saisonarbeiter aus Polen und Rumänien - sind indes unverdrossen bei der Sache. Jeder in "seiner" Reihe. Zu kalt und zu nass? Vasile zieht die Mundwinkel nach unten, blickt kurz zum verhangenen Himmel auf und zuckt mit den Schultern: "Muss man trotzdem weitermachen", antwortet er lakonisch. Seine Frau Ioana, die die Spargelreihe neben ihm erntet, blickt auf und lächelt aus ihrem hübschen, wettergegerbten Gesicht. Nein, die Witterung ist für die Landarbeiter nicht wirklich ein großes Thema. "Wenigstens brauchen wir heute mal kein Schlauchboot", scherzt Vasile. Gewöhnt man sich an die Knochenarbeit? Rafal legt seine rechte Hand ins Kreuz und demonstriert wippend die typische Bückhaltung der Spargelstecher: "Immer so die ganze Zeit", sagt er, "geht schon in den Rücken. Aber ist normal." Dann schlägt er wieder ein Stück der weißen Folie zurück und legt so ein paar aus der Erde lugende helle Köpfchen frei. Routiniert gräbt er mit zwei Fingern der linken Hand unmittelbar am Spargel entlang ein Loch. Mit der rechten Hand lässt er das lange Messer tief in die Erde fahren, hebelt kurz an, zieht die Stange aus dem Boden und legt sie in einen roten Kunststoffkorb. Ist ein etwa eineinhalb Meter langes Stück des Dammes gestochen, wird die Plane sogleich wieder darübergeschlagen und das nächste Teilstück aufgedeckt und geerntet - bis eine 300 Meter lange Reihe gestochen ist.

Die Folien sind inzwischen für die Spargelernte nahezu unverzichtbar. Mit ihnen lassen sich die Temperaturen für das Saisongemüse optimal regeln. Die schwarzen Planen absorbieren mehr Licht, geben also mehr Wärme ab, die weißen wiederum reflektieren die Strahlen und schützen die zarten Spargelspitzen vor zu viel Hitze, erklärt Bernauer. Während der Saison muss täglich das gesamte Feld von den Helfern gestochen werden: rund 5,5 Hektar, was etwa fünf Fußballfeldern entspricht.

Etwa 50 Kilo Spargel pro Erntehelfer werden es an diesem Tag sein, schätzt Bernauer. Kein Spitzenergebnis, wenn man bedenkt, dass ein geübter Spargelstecher bis zu 120 Kilo am Tag ernten kann. "Aber der Spargel ist ein schlaues Gewächs", sagt Bernauer. "Bei diesem kühlen Wetter hält er sein Wachstum zurück."

Inzwischen haben Rafal, Edyta, Zbigniew, Mirek, Marek, Vasile und Ioana ihre roten Tragekörbe gefüllt. Kurze Pause. Zuvor aber lassen sie ihre Ausbeute in den Plastikkisten nacheinander in einen grünen Container gleiten: Hier wird der Spargel erst einmal in Wasser vom allergröbsten Schmutz befreit. Dann werden die Kisten in einem Laster geladen, später auf dem Spargelhof in Heusweiler gewaschen, geschnitten und nach Qualität sortiert.

Ist der strapaziöse Job wenigstens lukrativ? Zurückhaltung. "Es ist ein angemessener Stundenlohn für diese harte Arbeit. Außerdem gibt's einen Qualitätszuschlag", sagt Bernauer knapp, ohne Zahlen zu nennen. Qualitätszuschlag? Kann man Spargel gut oder schlecht stechen? "Aber ja", sagt Bernauer und zeigt zwei Spargel mit kleinen Schönheitsfehlern: Eine geöffnete Spitze deutet darauf hin, dass der Spargel zu spät geerntet wurde. Einen rosa Hals bekommt der Spargel bei zu viel Sonne, wahrscheinlich war er nicht ausreichend abgedeckt. Das kommt vor, aber der Spargel- und Erdbeerbauer ist mit seinen Saisonarbeitern hochzufrieden. Und diese wohl auch mit ihm: Edyta beispielsweise kommt seit zehn Jahren zur Spargelernte, Rafal seit mindestens acht Jahren. "Unsere ausländischen Arbeitskräfte sind besonders zuverlässig. Und uns ist es wichtig, dass die Leute hier gut aufgehoben sind, sie sind schließlich unser Kapital", betont Bernauer. Und deutet an, dass er in der Vergangenheit mit deutschen Kräften weniger gute Erfahrung gesammelt hat. Rund 120 ausschließlich ausländische Kräfte beschäftigt der 34-jährige Landwirt das ganze Jahr über, davon derzeit 21 auf den Spargelfeldern in Beckingen, Wallerfangen, Saarwellingen und Elm.

Neben den Hauptkulturen Spargel und Erdbeeren, die an rund 30 Verkaufsstellen im Saarland angeboten werden, bauen die Bernauers auch Himbeeren, Tomaten, Gurken und Salat an. "Aber der Spargelanbau im Saarland ist vielen immer noch nicht bekannt", bedauert Bernauer. Dabei gibt es neben ihm noch drei weitere große Produzenten: Von Papen in Wallerfangen, Ripplinger in Merzig und Ehl in Saarlouis-Neuforweiler.

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