Die Angst der Islamisten vor einem Mädchen

Tunis/Madrid · „Ich habe keine Angst, ich bin in die Freiheit verliebt“, schrieb die 19-jährige tunesische Feministin Amina, kurz bevor sie von der Polizei festgenommen wurde. Sie hatte es gewagt, an die Mauer einer Moschee den Namen „Femen“ zu sprühen.

Die Buchstaben jener internationalen Bewegung, deren Aktivistinnen vorzugsweise mit nacktem Oberkörper gegen Diskriminierung protestieren. Nun will Tunesien Amina wegen "unmoralischen Verhaltens" und "Schändung" vor Gericht stellen.

Amina ist in Teilen Tunesiens ein Star. Sie wurde auf einen Schlag bekannt, als sie im März ein Oben-ohne-Foto bei Facebook veröffentlichte. Auf dem Bild sieht man sie mit einer Zigarette, in ein Buch vertieft und halbnackt. Auf ihrer Brust steht in schwarzer Schrift: "Mein Körper gehört mir." Danach erhielt sie Morddrohungen. Ein radikaler Prediger forderte, die Feministin "mit 100 Peitschenhieben" zu bestrafen und sie "zu steinigen".

"Jetzt wissen wir, wovor die Islamisten Angst haben - vor einem Mädchen mit einem Buch", schrieb Amina kurz vor ihrer jüngsten Protestaktion, die mit der Festnahme endete. In Tunesien, wo der "arabische Frühling" 2011 begann, ist eine Übergangsregierung unter islamistischer Führung an der Macht. Seitdem ist eine Islamisierung der Gesellschaft spürbar, die mit einer schleichenden Beschneidung der Freiheiten für Frauen einhergeht. Auch wenn die regierende Ennahda-Partei als vergleichsweise moderat gilt, gewinnen radikale Islamisten zunehmend Einfluss, die Zahl der Frauen mit Kopftuch oder Schleier nimmt zu, auch die Diskriminierung wächst. Wer sich zu westlich kleidet oder gar mit Minirock auf die Straße geht, kann Ärger bekommen.

"Leider sind unsere Rechte jetzt bedroht", resümiert die prominente Bloggerin Lina Ben Mhenni die Lage mehr als zwei Jahre nach der Revolution. Aus diesem Grund würde Amina am liebsten nach Frankreich auswandern und dort Journalismus studieren. Zunächst muss sie aber bald auf der Anklagebank Platz nehmen. Nicht nur Feministengruppen fürchten einen Schauprozess.

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