Verlorene Heimat

Berlin · Zwei Herzen in einer Brust – viele Deutsch-Türken fühlen sich in zwei Ländern zu Hause. Doch sie müssen sich für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Manche ziehen dagegen vor Gericht. Auch zwischen Union und SPD kracht es bei dem Thema kräftig.

Trotz aller Kritik wollen die drei Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein am Freitag eine Initiative für eine neue Doppelpass-Regelung in den Bundesrat einbringen. Ihr Ziel: In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen zwei Pässe besitzen dürfen, auch wenn sie im Ausland groß geworden sind. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag nach zähem Ringen jedoch vereinbart, den Doppelpass nur Zuwandererkindern zu gewähren, die in Deutschland geboren und auch aufgewachsen sind. Darauf hatten CDU/CSU bestanden. Dieses Verfahren bedeute einen großen bürokratischen Aufwand, kritisierte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Dieser müsse "wohlgemerkt nicht vom Bund, sondern von uns, von den Ländern, erbracht werden".

Die Union griff das Vorhaben der drei von SPD und Grünen regierten Ländern scharf an und forderte, es zurückzunehmen. Kretschmann schimpfte daraufhin über eine unzulässige Einmischung in Länderrechte. "Die große Koalition kann den Föderalismus nicht einfach in den Urlaub schicken", sagte er. Den Ländern mit Verweis auf den Koalitionsvertrag das Recht abzusprechen, eigene Initiativen zu starten, stehe in krassem Widerspruch zur Verfassung.

CDU-Bundesvize Thomas Strobl bezeichnete den Hinweis auf bürokratischen Aufwand als "hanebüchenen Unsinn". "Den Schulbesuch nachzuweisen, ist denkbar einfach: Es genügt, das Zeugnis vorzulegen." Die CDU halte eine gewisse Identifikation mit Deutschland für notwendig, wenn jemand einen deutschen Pass oder die doppelte Staatsbürgerschaft möchte.

Die Grünen haben für heute eine Aktuelle Stunde im Bundestag zum Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht beantragt. Bei der Reform herrsche in der Bundesregierung ein heilloses Durcheinander, erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann.

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HintergrundDer saarländische Verein "Ramesch - Forum für Interkulturelle Begegnung" fordert, dass alle Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren sind, ohne Einschränkung die doppelte Staatsbürgerschaft bekommen. "Das ist längst überfällig", sagt die stellvertretende Präsidentin Ursula Kimoto. Die von der großen Koalition im neuen Gesetz gestellte Bedingung, dass die Kinder auch in Deutschland aufgewachsen sein müssen, sei unnötig kompliziert. Auch die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Petra Berg, wünscht sich eine weitergehende Regelung als von Schwarz-Rot im Bund geplant. Mehr sei aber nicht machbar. Dennoch bezeichnet sie das Vorhaben als "Durchbruch". Die jungen Menschen seien künftig nicht mehr gezwungen, sich nach 23 Jahren für oder gegen etwas zu entscheiden. mast

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