„Der gute Kollege aus Deutschland“

Riga · Kaum jemand betrachtet Russlands Kurs auf der Krim mit so viel Sorge wie die Menschen im Baltikum. Auf einem Kurztrip verspricht ihnen Außenminister Steinmeier: Deutschland lässt euch nicht allein. Hoffnung auf Besserung hat er aber nicht.

Geradezu ohnmächtig muss die neue Regierung in Kiew mit anschauen, wie die Krim zielstrebig den umstrittenen Beitritt zu Russland umsetzt. In einem Appell an ihre Kollegen vom Krim-Parlament warnen die Abgeordneten in Kiew, das für diesen Sonntag geplante Referendum verstoße wie die vorgesehene Abspaltung gegen die Verfassung.

Regierungschef Arseni Jazenjuk wettert über die selbst ernannte Krim-Führung: "Das ist eine Gruppe von Kriminellen, die auf verfassungswidrige Weise und unter dem Schutz von 18 000 russischen Soldaten die Macht an sich gerissen hat."

Aber die Gewalt, den Lauf der Dinge zu stoppen, hat Jazenjuk nicht. Zwar stützen ihn die EU und die USA demonstrativ. So will US-Präsident Barack Obama den Gefolgsmann von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko empfangen. Aber ein Dialog mit Russland, der Schutzmacht der Krim, ist in weiter Ferne. Moskau verweigert der Regierung Jazenjuk die Anerkennung.

Währenddessen schafft das prorussische Parlament in Simferopol Fakten. Schon Tage vor der Volksabstimmung erklärte es die Krim formell für unabhängig.

Und auch der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch wirft sich nicht für eine Einheit des Landes in die Bresche. Ganz im Gegenteil: Schon scheint er sich mit dem Verlust der strategisch wichtigen Halbinsel abgefunden zu haben. In einer wirr anmutenden Erklärung betont Janukowitsch eilig, die Verantwortung für die Abspaltung der Krim trügen allein die "Umstürzler" in Kiew.

Keine zwei Wochen nach ihrem Amtsantritt gerät die neue ukrainische Führung damit immer stärker unter Druck. Im Zentrum der Massenproteste gegen Janukowitsch, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, ist der Frust groß. "Irgendwie haben sie die Krim schon aufgegeben", meint der ehemalige Flugzeugingenieur Sergej. "Keiner auf dem Maidan vertraut ihnen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt." Auch der 39-jährige Alexander hält die neue Führung für ungeeignet. "Die ehemalige Opposition steckt im gleichen Sumpf, aus dem wir uns herauszuwinden versuchen", meint er. Indes braut sich anderswo ein Sturm zusammen. In der Nähe der Krim ist die ukrainische Armee zu Übungen ausgerückt. Interimspräsident Alexander Turtschinow hat volle Kampfbereitschaft angeordnet, um Stärke zu demonstrieren. Eine Nationalgarde mit bis zu 50 000 Mitgliedern ist vorgesehen. Schon werden Forderungen laut, nun auch hart zuzuschlagen. Turtschinow müsse den "Banditen" auf der Krim ein Ultimatum stellen und sie notfalls "unschädlich" machen, fordert etwa der Ex-Verteidigungsminister Anatoli Grizenko.

Aber eine realistische Chance gegen die Tausenden russischen Soldaten auf der Krim hätte die ukrainische Armee nach Ansicht von Experten nicht. Nach Angaben des kommissarischen Verteidigungsministers Igor Tenjuch sind gerade einmal 6000 Soldaten einsatzbereit - von eigentlich mehr als 40 000. So setzt Jazenjuk auch gezwungenermaßen auf Diplomatie - ohne große Aussichten, die Krim noch zu halten.

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