Rückzug der US-Armee Empörung über den nächsten Trump-Alleingang

Washington · Gegen den Willen seiner Generäle beschließt der US-Präsident den Rückzug der Armee aus dem Kriegsgebiet – und bekommt harte Kritik.

2200 US-Soldaten sind derzeit in Syrien als Schutz vor Angriffen des IS stationiert – wie hier in den Außenbezirken der Stadt Manbij.

2200 US-Soldaten sind derzeit in Syrien als Schutz vor Angriffen des IS stationiert – wie hier in den Außenbezirken der Stadt Manbij.

Foto: dpa/---

Von einer Überraschung könne doch keine Rede sein, schrieb Donald Trump am Tag nach der überraschenden Ankündigung, dass die USA ihre Truppen aus Syrien abziehen werden. Davon habe er doch im Wahlkampf gesprochen. Vor sechs Monaten, als er seine Absicht in aller Öffentlichkeit wiederholte, habe er sich noch einmal umstimmen lassen. Von seinen Generälen. Nun offensichtlich nicht mehr. „Wollen die USA der Polizist des Nahen Ostens sein, wofür sie NICHTS bekommen, außer dass sie wertvolles Leben opfern und Billionen von Dollar ausgeben, um andere zu schützen, die in kaum einem Fall zu schätzen wissen, was wir tun? Wollen wir ewig dort bleiben? Höchste Zeit, dass endlich andere kämpfen.”

Die Entscheidung erinnert an den Ausstieg aus dem Iran-Abkommen. Auch da ließ sich Trump eine Weile überreden, das aufzuschieben, was er auf Kampagnenbühnen versprochen hatte. Bevor er schließlich seinen Instinkten folgte und den Rat von Experten wie Alliierten in den Wind schlug. Dass er mahnende Stimmen in seinem Kabinett auch diesmal ignorierte, kann angesichts der Vorgeschichte höchstens vom Timing her überraschen.

Zudem macht die Rückzugsorder klar, wie rasant der Verteidigungsminister James Mattis an Einfluss verliert. Der Letzte aus einer Reihe von Generälen im Kabinett, von denen sich nicht zuletzt die Europäer erhofft hatten, dass sie den Nationalisten im Oval Office zur Vernunft bringen würden. Ein überhasteter Abzug würde noch mehr Chaos im Nahen Osten stiften, warnte Mattis immer wieder. Auch James Jeffrey, der Syrien-Beauftragte des Weißen Hauses, schien sich noch am Montag sicher zu sein, dass Trump so weit nicht gehen werde. Diktator Baschar al-Assad werde nicht in die Lage kommen, die US-Militärpräsenz aussitzen zu können, dozierte er bei einem Auftritt in Washington. „Falls dies Assads Strategie ist, wird er sehr lange warten müssen.“

Nichts davon hat jetzt noch Bestand, und auch das von manchen beschworene Szenario eines allmählichen Rückzugs scheint sich nicht zu bewahrheiten. Wie die „New York Times“ unter Berufung auf Quellen im Pentagon schreibt, soll er binnen 30 Tagen abgeschlossen sein. Den Ausschlag gab offenbar ein Telefonat Trumps mit Recep Tayyip Erdogan vor einer Woche. Der türkische Präsident habe erneut betont, dass er in den mit Washington verbündeten syrischen Kurdenmilizen Terroristen sehe. Wieso Amerika diese Leute unterstütze und nicht den Nato-Alliierten Türkei, soll er gefragt haben, um hinzuzufügen, dass der „Islamische Staat“ besiegt sei und türkische Truppen zum Eingreifen bereitstünden, falls er doch wieder erstarke.

Zufall oder nicht, vier Tage nach dem Gespräch teilte das State Department dem Kongress mit, dass man grünes Licht für die Lieferung des Luftabwehrsystems Patriot an die Türkei gibt. Offenbar soll das 3,5-Milliarden-Dollar-Geschäft das Land davon abbringen, wie geplant russische Flugabwehrraketen des Typs S-400 zu stationieren. Wieder einmal, merken Kritiker an, könnte Trump eine strategische Weichenstellung im Wesentlichen aus kommerziellen Erwägungen vollzogen haben. In diesem Fall, um Rüstungsexporte nach Ankara anzukurbeln.

Im Parlament sind es konservative Hardliner, die am lautesten gegen den Rückzugsbefehl protestieren. 2200 Soldaten in Syrien, das sei ein kleiner Fußabdruck mit großer Wirkung, meint Senator Lindsey Graham. „Es ist unsere Versicherungspolice für den Fall, dass sich der IS zurückmeldet.“ Es sei töricht, darauf zu verzichten. Marco Rubio, einst einer der aussichtsreicheren Konkurrenten Trumps, verbreitete eine zustimmende Erklärung der russischen Botschaft, um sarkastisch hinterherzuschieben, er habe endlich jemanden gefunden, der den Syrien-Entschluss begrüße.

Kritik an Trump gab es auch international. Unangenehm überrascht zeigte sich Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). „Es besteht die Gefahr, dass die Konsequenzen dieser Entscheidung dem Kampf gegen IS schaden und die erreichten Erfolge gefährden“, sagte er.

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