Auf die katholische Kirche kommen nach dem Willen von Papst Franziskus radikale Reformen zu. Franziskus fordert in seinem ersten apostolischen Lehrschreiben von Bischöfen und Priestern, sich vor allem den Schwachen und Bedürftigen dieser Welt zuzuwenden. In dem gestern veröffentlichten Text, einer Art Regierungserklärung, stellt er die Strukturen der Kirche und die Macht des Vatikans infrage - bis hin zur heutigen Form seines Papstamtes und der Dominanz Roms. Bischofskonferenzen sollen mehr Kompetenzen erhalten - auch lehramtliche. Man dürfe keine Angst haben, Dinge anzugehen, die zwar historisch gewachsen seien, aber nicht direkt mit dem Evangelium zusammenhingen.

Franziskus wendet sich in seiner Lehrschrift gegen einen "ausufernden Klerikalismus" und ruft zu offenen Kirchentüren auf. Der 76-Jährige fordert Reformen auf allen Ebenen und betont, den Bischöfen komme dabei eine entscheidende Rolle zu. Ihm sei eine "verbeulte" Kirche, die auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine, die in ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krank ist. Er wünsche sich eine "arme Kirche für die Armen", schreibt der Papst. Die Forderung nach kirchlichen Reformen geht einher mit harscher Kritik an zügellosem Kapitalismus, der eine "neue Tyrannei" sei. Der seit März amtierende Oberhirte von mehr als einer Milliarde Gläubigen erteilt aber Abtreibung weiter eine Absage. Der Schutz des ungeborenen Lebens sei keine Frage der Modernität. Eine Öffnung des Priestertums für Frauen schließt er kategorisch aus.

Die Lehrschrift "Evangelii Gaudium" (Freude des Evangeliums) gilt als wegweisend für das Pontifikat von Franziskus. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, würdigte das Dokument als neuen Aufbruch. > , : Meinung