Von Balkonen, Buffets und Umarmungen

Berlin · Wer koalieren will, muss sich auch persönlich und atmosphärisch annähern: Das ist Union und SPD in den vergangenen Wochen offensichtlich gelungen: mal auf einem Balkon, mal beim Italiener.

Ringe unter den Augen, ernste Mienen, bedeutungsschwere Sätze - die Unterhändler von Union und SPD haben gerne den Eindruck vermittelt, als ob die Koalitionsverhandlungen nur eine bierernste Angelegenheit seien. Dabei hat es zum Teil kräftig gemenschelt. Häufig wurde sogar gelacht, wie Teilnehmer berichten. Ob's geholfen hat, weiß man endgültig erst heute.

"Wir haben uns als Erstes alle mal umarmt." Der Satz von CSU-General Alexander Dobrindt zu Beginn der Gespräche wird ins Geschichtsbuch der schwarz-roten Bemühungen eingehen. So wie die "Balkonszene", als Hannelore Kraft, in der SPD anfänglich die schärfste Gegnerin der großen Koalition, gleich mit vier Unions-Politikern scherzend auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft zu beobachten war. Danach war Krafts Widerstand verpufft. Gesäuselt wurde trotz zahlreicher Streitpunkte ohnehin viel: "Schönes Wetter, gute Stimmung - da kann nix schiefgehen", ließ SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zwischendurch wissen. "Herr Gabriel ist in Ordnung", urteilte CSU-Chef Horst Seehofer.

Etwas verwunderlich ist die neue Herzlichkeit allerdings schon dahergekommen. Im Wahlkampf hatten sich beide Seiten noch gegenseitig angefeindet. So schnell kann sich das Blatt wenden, wenn die Macht winkt. Gleichwohl gilt: Wer koalieren will, muss sich auch persönlich und atmosphärisch annähern. Für Angela Merkel und Sigmar Gabriel kein Problem: "Natürlich ist Frau Merkel eine sympathische Frau", urteilte der Genosse. Man kennt sich seit 2005, als Merkel schon einmal Kanzlerin einer schwarz-roten Regierung wurde und Gabriel ihr Umweltminister. Wenn es Ärger gab im Kabinett, stellte sie sich auch mal an seine Seite. Nur einmal, 2010, gab es eine veritable Verstimmung: Als eine vertrauliche SMS von Merkel an Gabriel im Zusammenhang mit der Bundespräsidentenwahl von ihm öffentlich gemacht wurde. Merkel war so verärgert, dass sie den Kontakt für einige Monate einstellte. Inzwischen hat sie ihm verziehen.

Um die Stimmung weiter zu heben, setzte Schwarz-Rot zudem auf Annäherungsversuche der besonderen Art: Nahles und der bei den Genossen als Rüpel verschriene Dobrindt trafen sich beim Italiener. Ein Abendessen, Rotwein, die Rechnung bezahlte Dobrindt. "Wir müssen wissen, wie der andere tickt", so Nahles anschließend. Was durchaus wichtig ist: Bei Schwarz-Gelb konnten die Generäle der Parteien anfänglich überhaupt nicht miteinander. Entsprechend miserabel startete die Koalition.

Besonders beeindruckt waren die Sozialdemokraten übrigens immer vom Buffet für die große Runde im Konrad-Adenauer-Haus: "Besser als bei uns." Koalitionsverhandlungen gehen halt auch durch den Magen.

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