Erbauliches rund um die Schule der Zukunft

Hamburg. Viele Schüler in Deutschland kehren dieser Tage in zu kleine, zu laute und marode Schulräume zurück. "Die Enge und der Lärmpegel in den Klassenzimmern sind oft katastrophal", sagt der Leiter des privaten Instituts für Schulentwicklung, Prof. Otto Seydel. Nur wenige Schüler treffen auf Klassenräume, die Architekten nach den Wünschen der Kinder gestaltet haben

Hamburg. Viele Schüler in Deutschland kehren dieser Tage in zu kleine, zu laute und marode Schulräume zurück. "Die Enge und der Lärmpegel in den Klassenzimmern sind oft katastrophal", sagt der Leiter des privaten Instituts für Schulentwicklung, Prof. Otto Seydel. Nur wenige Schüler treffen auf Klassenräume, die Architekten nach den Wünschen der Kinder gestaltet haben. "Die pädagogische Dimension von Räumen ist in der Bildungspolitik noch nicht angekommen", bedauert auch Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Doch das soll sich ändern. Ein Netzwerk von Pädagogen und Architekten fordert die Bildungspolitiker auf, den Raum als biologische Basis für gutes Lernen zu erkennen und auszustatten. "Der Raum hilft, sich wohl zu fühlen, und wo sich Kinder wohlfühlen, werden die ursprüngliche Freude und Lust am Lernen aufgegriffen und gefördert", sagt Architekt Peter Hübner mit Verweis auf die Hirnforschung.

Die Initiatoren können auf eine Reihe von Beispielen verweisen. Dazu zählt die 1996 gebaute Wartburg-Grundschule in Münster, die im Jahr 2008 von der Robert-Bosch-Stiftung mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde. Die Architektur folgt dem pädagogischen Konzept. Jedes Klassenhaus hat einen Aufenthaltsraum, Nebenräume und einen Schulgarten. "Das gibt Struktur und Geborgenheit; man fühlt sich dem Haus zugehörig", sagt Direktorin Gisela Gravelaar.

Ein weiteres Vorbild liefern die "Baupiloten" um die Architektin Susanne Hofmann von der Technischen Universität Berlin. Sie lässt die Studierenden mit den Schülern diskutieren, wie ihre Schule schöner werden könnte. Ihre Erfahrung: "Null-Bock-Kinder" stellen plötzlich Zeitpläne auf und beraten über Lichtkonzepte. Die Schülerbeteiligung führe auch dazu, dass Vandalismus abnimmt, berichtet Hübner.

Viele Experten fordern diese Einbeziehung der Nutzer. Der Vorstand der Bundesstiftung Baukultur, Michael Braum, schlägt vor, für jedes Projekt eine "kollektive Baufamilie" zu gründen. Schulleitung, Eltern, Schüler, Architekten und Vertreter der Kommunen könnten im direkten Dialog zu Lösungen kommen, sagt Braum.

Die seit dem Pisa-Schock begonnenen Schulreformen erfordern auch andere Räume. Dazu zählt die Ganztagsschule, die neben einer Mensa auch Rückzugsnischen für Lehrkräfte und Schüler bieten muss, wie Demmer betont. Für das Konzept des individuellen Fordern und Förderns, das mehr Einzel- und Kleingruppenarbeit mit sich bringt, werden flexibel nutzbare Räume benötigt. Die Anwälte für bessere Schulbauten "überreichen" dem Staat einen ganzen Korb mit Vorschlägen: Die Gründung eines neuen Schulbauinstituts der Länder schlägt Seydel vor, das die Erfahrungen bündelt. Hübner fordert ein Bund-Länder-Programm, mit dem "Zukunftsschulen" Impulse geben. Die Montag Stiftungen in Bonn regen dazu ein Forschungsprogramm des Bundes an.

Die Bundesstiftung Baukultur lädt für das zweite Halbjahr 2009/10 in einer bundesweiten Kampagne unter dem Motto "bauTraum" Schüler, Lehrer, Eltern und Planer ein, sich an vielfältigen Aktionen zum Thema Baukultur zu beteiligen.

In einem Aufruf der Bundesstiftung fordern die Unterzeichner, die Mittel aus dem Konjunkturpaket II nicht nur für energetische Sanierungen, sondern auch für räumliche Verbesserungen mit Blick auf zeitgemäße pädagogische Konzepte einzusetzen. Für die Sanierung von Kindergärten, Schulen und Hochschulen stellt der Bund Ländern und Kommunen insgesamt 6,5 Milliarden Euro bereit, die bis Ende 2010 investiert werden müssen. Das Deutsche Institut für Urbanistik beziffert den Bedarf allein für die wichtigsten energetischen und technischen Sanierungsmaßnahmen auf rund acht Milliarden Euro. "Wo sich Kinder wohlfühlen, werden die Freude und Lust am Lernen gefördert."

Architekt

Peter Hübner

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort