Die "Müsli-Esser" haben sich durchgesetzt Körnerbratlinge statt Currywurst - auch Fast Food setzt auf Bio Geschäft mit Bio-Produkten trotzt der Wirtschaftskrise

Nürnberg. Weingläser klirren, zu knusprigem Vollkornbrot gibt es zartschmelzenden Käse. Wem eher nach Süßem zumute ist, der hat die Wahl zwischen Schokolade, Sahnedesserts und Eis. Zwar werden auch auf der Nürnberger Öko-Messe BioFach Kontakte geknüpft und Verträge ausgehandelt, doch der Genussfaktor der Ware steht eindeutig im Vordergrund

Nürnberg. Weingläser klirren, zu knusprigem Vollkornbrot gibt es zartschmelzenden Käse. Wem eher nach Süßem zumute ist, der hat die Wahl zwischen Schokolade, Sahnedesserts und Eis. Zwar werden auch auf der Nürnberger Öko-Messe BioFach Kontakte geknüpft und Verträge ausgehandelt, doch der Genussfaktor der Ware steht eindeutig im Vordergrund. Kosmetik aus Swasiland, Wein aus Andalusien und T-Shirts aus Berlin zeigen die Vielfalt der ökologisch hergestellten Produkte. Den Löwenanteil machen nach wie vor Nahrungsmittel aus. "Wir haben inzwischen nicht mehr das Problem, uns vom konventionellen Handel abzugrenzen", erläutert Branchenexperte Thomas Dosch (Foto: dpa). Die Menschen suchten auch beim Kauf von Lebensmitteln einen höheren Sinn und wollten gesünderes, umweltfreundlicheres und artgerecht erzeugtes Essen. Dies werde sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht so schnell ändern, ist sich Dosch sicher.

So wie er schauen viele Hersteller und Händler positiv in die Zukunft. "Wir gehen davon aus, dass wir das Wachstum von 2008 knapp auch 2009 schaffen können", sagt etwa Andreas Ritter-Ratjen, der sowohl Vorstandsmitglied im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) als auch im Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) ist. 2008 war für die Branche kein schlechtes Jahr. Allein mit Naturkost und Naturkosmetik wurden 1,85 Milliarden Euro umgesetzt, ein Plus von 7,4 Prozent. Die Zahl der Bio-Bauern nahm ebenso zu wie die Zahl der Bio-Läden, wobei vor allem Supermärkte statt kleiner Fachgeschäfte neu eröffnet wurden. Die große Nachfrage hatte der Branche im ersten Halbjahr 2008 ein schwerwiegendes Problem beschert: Lieferengpässe. "Es blieben zum Teil Regale mit bestimmten Produkten leer", erinnert sich Dosch.

Deutschland ist nach den USA ein Hauptmarkt für Bio-Waren, 3,5 Prozent beträgt der Marktanteil bei Lebensmitteln. An dritter Stelle steht Großbritannien, gefolgt von Frankreich und Italien. 46,1 Milliarden US-Dollar setzte die Branche weltweit nach den neuesten Zahlen von 2007 um - eine Steigerung von mehr als 200 Prozent seit 1999. "Der Biomarkt ist in den letzten zehn Jahren so stark gewachsen, wie es in den 70ern und 80ern nie jemand zu hoffen gewagt hatte", betont BNN-Geschäftsführerin Elke Röder.

Die Wurzeln der Bio-Bewegung, der heute auch geländewagenfahrende Großstädter zugerechnet werden, gehen gute 25 Jahre zurück. Damals wurden die Pioniere oft als Müsli-Esser verspottet. "Heute haben wir eine andere Situation", sagt Dosch. "Spätestens seit die Grünen-Ministerin Renate Künast die Themen politisch hoffähig gemacht hat, haben die Unternehmen erkannt, dass man mit Bio Marktsegmente nutzen kann, die sich lohnen." Heute diskutiere die Branche deshalb weniger Bio versus konventionell als Bio versus Bio. "Die einen generieren sich als Kostenführer; sie erfüllen alles, was nötig ist, um sich Bio nennen zu können", sagt Dosch als Präsident des Erzeugerverbands Bioland. Die anderen versuchten ihre Kunden als Premium-Anbieter etwa mit Regionalität, Transparenz und höheren Standards, aber auch mit Serviceleistungen wie Lieferdienste oder Abo-Kisten zu überzeugen. Berlin. Fix auf die Hand und doch gesund: Statt Fritten, Currywurst und Burgern lieber Körnerbratlinge, Tofu-Salate oder Vollkorn-Klappstullen. In Deutschlands Großstädten wird das Bio-Fast-Food entdeckt. In München, Hamburg oder Berlin gibt es immer mehr edle Öko-Imbisse für den schnellen Hunger. Frische, leichte und fix zubereitete Küche liegt im Trend, beobachtet auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. "In einer immer komplexeren Welt steigt der Wunsch nach mehr Sicherheit, auch beim schnellen Essen", so Sprecherin Stefanie Heckel.

Ökologisch und durchgestylt

"Ich wollte nicht länger mit ansehen, dass sich Menschen mit ungesundem Fast Food vollstopfen", sagt Unternehmer Matthias Rischau, der schon 2006 in Berlin das erste deutsche Bio-Fast-Food-Restaurant eröffnete. Am Anfang stand er noch selbst in seinem Laden im gutbürgerlichen Charlottenburg und schmierte Pausenbrote. Mittlerweile zählt seine "Gorilla"-Kette in Berlin fünf Filialen. "Der Gorilla isst kein Fett und keinen Zucker" - für Rischau Vorbild. Am Buffett gibt es Tofusalat mit Sternanis, Couscous-Varianten und knackige Blattsalate. Alles ökologisch, gesund und möglichst umweltfreundlich im durchgestylten Ambiente.

Ziemlich edel ist auch das "Fresh N Friends". Die Wände leuchten neongrünpink, und in den Chromregalen liegen kulinarische Extravaganzen wie Zitronen-Thaibasilikum-Gelee. In den vier Berliner Filialen gibt es Bio-Pastasalate, geeiste Melonensuppe mit Ingwer oder CO2-freien Kaffee aus fairem Handel.

Regionale Speisen

"Wer die Natur liebt, kommt in die City", hat sich Jan Rosenkranz auf die Fahne geschrieben. In seinem "Nat. Fine Bio Food" in Hamburg stehen vor allem saisonale und regionale Speisen auf der Karte.

Ein wenig Bio hat auch der amerikanische Burgerbräter McDonald's in sein Programm aufgenommen. So gibt es bei den "Happy Meals" Biomilch und in den McCafés steht die Ökobrause Bionade auf dem Tresen. Das Unternehmen, das immer wieder gegen das Image ungesunder Speisen ankämpft, legt zunehmend Wert auf heimische Zutaten. So werden für die Pommes überwiegend Kartoffeln aus der Region genommen. "Aufgrund der Masse an Produkten können wir aber nicht auf 100 Prozent Bio setzen", so Sprecher Martin Nowicki. dpa

Berlin. Das Geschäft mit Bio-Produkten ist im vergangenen Jahr trotz der Wirtschaftskrise stark gewachsen. Insgesamt habe der Umsatz im Einzelhandel 1,77 Milliarden Euro betragen, ergab jetzt eine Studie des Marktforschungsinstituts Nielsen Company. Das sind 22 Prozent mehr als 2007. Trotz trüber Konjunkturaussichten habe sich die Entwicklung auch im vierten Quartal 2008 fortgesetzt. Vor allem die Discounter kurbelten den Bio-Markt dabei kräftig an. Sie bauten ihren Marktanteil 2008 auf 37 Prozent aus. Zu den besonders wachstumsstarken Warengruppen zählten Milch- und Sojaprodukte, Tiefkühlgemüse, Müsli und Kaffee.

86 Prozent aller Haushalte kauften im letzten Jahr laut Studie mindestens einmal Produkte aus ökologischer Erzeugung. Trotzdem erwirtschafte der Einzelhandel seinen Umsatz mit Bio-Produkten überwiegend durch Stammkäufer. afp

Hintergrund

EU-Kommissarin Mariann Fischer Boel hat gestern angekündigt, dass nach jahrelangem Hickhack Ende des Jahres endlich ein EU-weit gültiges Bio-Siegel gefunden sein soll, um das Nebeneinander der nationalen Symbole abzulösen. "Wir müssen den Konsumenten glaubwürdig versichern, dass da, wo Bio draufsteht, auch Bio drin ist", so Fischer Boel. Den Menschen müsse klar sein, was ökologischer Landbau bedeute. dpa

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