Die EU plant einheitliche Asylverfahren für alle Mitgliedsländer

Brüssel. Wer Asyl braucht, soll es künftig binnen sechs Monaten in jedem EU-Mitgliedstaat erhalten. Das ist der Kern des neuen Rechtssystems, das die Brüsseler Kommission nach jahrelangem Streit nun auf den Weg gebracht hat. "Kein Land darf künftig für Asylbewerber attraktiver sein als ein anderes", so umriss Innenkommissar Jacques Barrot gestern die Grundzüge seines Vorschlags

Brüssel. Wer Asyl braucht, soll es künftig binnen sechs Monaten in jedem EU-Mitgliedstaat erhalten. Das ist der Kern des neuen Rechtssystems, das die Brüsseler Kommission nach jahrelangem Streit nun auf den Weg gebracht hat. "Kein Land darf künftig für Asylbewerber attraktiver sein als ein anderes", so umriss Innenkommissar Jacques Barrot gestern die Grundzüge seines Vorschlags. Die Zeiten einer regelrechten "Asyl-Lotterie" seien vorbei. Gerade die "kriminellen Schlepper, die verzweifelte Menschen zu Tausenden über das Mittelmeer schicken", könnten durch ein harmonisiertes Rechtswesen abgeschreckt werden. "Bisher nutzen sie Unterschiede zwischen den Ländern aus", erklärte der EU-Kommissar. Bereits vereinbart ist die Errichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros, das gemeinsame Standards ausarbeitet, damit Begriffe wie "sicherer Herkunftsstaat" oder "Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe" wie beispielsweise der der irakischen Christen für alle 27 Länder geklärt wird. Dann wird das Land, in das der Ausländer einreist, das gesamte Verfahren für alle durchführen. Ausnahmen gibt es nur, wenn Familienangehörige bereits in einem bestimmten EU-Staat leben. Barrot: "Wer nach den internationalen Standards wie der Genfer Konvention das Recht auf Asyl hat, wird es in Europa bekommen." Die Angst vor mehr Illegalen sei unbegründet. Spätestens 2012 soll das gemeinsame Recht in Kraft treten. Bis dahin müssen die Mitgliedstaaten "geeignetes Fachpersonal bei Polizei und Grenzschutz" bereitstellen, Verfahren innerhalb eines halben Jahres (und nicht wie beispielsweise in Deutschland über Jahre hinweg) abschließen können und eine "bessere Qualität der asylrechtlichen Entscheidungen" garantieren. Ob es dazu kommen wird, ist aber noch offen. Kein anderes Thema ist zwischen den Innen- und Justizministern der Gemeinschaft so umstritten wie ein gemeinsames Asylrecht. Vor allem Italien, Malta und Griechenland sehen sich von den anderen im Stich gelassen. Sie hätten auch nach den neuen Regelungen die größte Last zu tragen, da die 40 000 Menschen, die jährlich von Nordafrika aus die EU erreichen, dort aufgenommen werden müssten. Die italienische Praxis, überfüllte Flüchtlingsboote noch auf hoher See abzufangen und ohne Einzelfallprüfung alle Insassen zurückzuschicken, wäre nicht länger möglich. So dürfe Europa ohnehin nicht länger mit den Flüchtlingen umgehen, deutete Barrot gestern an. "Wir werden in wenigen Wochen den Lissabonner Vertrag und damit auch die Charta der Grundrechte haben. Da können wir den Schutz nicht jenen versagen, die ihn am nötigsten brauchen." Die Vorschläge sollen zwei bestehende EU-Richtlinien erneuern. Mitgliedsstaaten und EU-Parlament müssen ihnen zustimmen. Die Kommission schätzt, dass die Verhandlungen zwei Jahren in Anspruch nehmen, anschließend sind weitere zwei Jahre für die Umsetzung in nationales Recht vorgesehen.

HintergrundNach Angaben des saarländischen Innenministeriums leben im Saarland derzeit 224 Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung ihres laufenden Asylverfahrens sowie 1228 abgelehnte Asylbewerber mit dem Status der Duldung.Bundesweit halten sich 29 113 Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung in der Bundesrepublik auf und 96 744 abgelehnte Asylbewerber mit dem Status der Duldung. Die Hauptherkunftsländer im Jahr 2009 waren bislang Irak, Afghanistan, Türkei und Kosovo.Das Asylverfahren wird den Angaben zufolge im Saarland, wie auch in den übrigen Bundesländern, von einer Bundesbehörde durchgeführt, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Koalitionsverhandlungen in BerlinDie Steuer- und Finanzpolitik erweist sich zunehmend als konfliktträchtigster Punkt der Koalitionsverhandlungen. Besonders umstritten ist auch ein geplanter Sonderfonds aus Krediten zur Finanzierung der Sozialversicherunge
Koalitionsverhandlungen in BerlinDie Steuer- und Finanzpolitik erweist sich zunehmend als konfliktträchtigster Punkt der Koalitionsverhandlungen. Besonders umstritten ist auch ein geplanter Sonderfonds aus Krediten zur Finanzierung der Sozialversicherunge
Krankhafter Internet-Gebrauch !An der AHG Klinik Münchwies werden Menschen behandelt, die das Internet über das normale Maß hinaus nutzen. Als Krankheitsbild ist dieses Verhalten noch nicht anerkannt. Die Kostenträger zeigen aber hohe Bereitschaft, die Be
Krankhafter Internet-Gebrauch !An der AHG Klinik Münchwies werden Menschen behandelt, die das Internet über das normale Maß hinaus nutzen. Als Krankheitsbild ist dieses Verhalten noch nicht anerkannt. Die Kostenträger zeigen aber hohe Bereitschaft, die Be