"Schwarz-Gelb im Steuersenkungswahn"

Herr Poß, warum kritisiert Ihre Partei jetzt, was sie vor kurzem noch selbst mit beschlossen hat?Poss: Als Union und SPD den Investitions- und Tilgungsfonds eingerichtet haben, waren wir in einer Situation mit einem prognostizierten Wirtschaftseinbruch von mindestens sechs Prozent. Inzwischen hat sich die Lage jedoch wieder einigermaßen stabilisiert

Herr Poß, warum kritisiert Ihre Partei jetzt, was sie vor kurzem noch selbst mit beschlossen hat?Poss: Als Union und SPD den Investitions- und Tilgungsfonds eingerichtet haben, waren wir in einer Situation mit einem prognostizierten Wirtschaftseinbruch von mindestens sechs Prozent. Inzwischen hat sich die Lage jedoch wieder einigermaßen stabilisiert. Deshalb müsste Schwarz-Gelb eigentlich überlegen, wie Deutschland wieder runter von den Schulden kommt. Stattdessen häufen Union und FDP weitere Schulden an. Das ist ein fundamentaler Unterschied.Lässt sich mit den schwarz-gelben Plänen die Schuldenbremse in der Verfassung umschiffen?Poss: Ja, denn die Schuldenbremse greift erst ab 2011. Alle Schattenhaushalte, die bis dahin noch eingerichtet werden, und nichts anderes will ja Schwarz-Gelb, bleiben von den strengen Regeln unberührt.Aber Schulden sind Schulden, egal, ob sie im offiziellen Etat oder in Schattenhaushalten verbucht sind.Poss: Das ist richtig. Deshalb müssen künftige Generationen dafür auch in vollem Umfang gerade stehen.Gibt es rechtliche Möglichkeiten, Schattenhaushalte zu unterbinden?Poss: Nein. Die SPD wird aber immer wieder darauf hinweisen, dass Schwarz-Gelb deshalb zu Schattenhaushalten greift, um mit diesem Trick Spielraum für Steuergeschenke an Unternehmen und Besserverdienende zu bekommen. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass die große Koalition für 2010 ohnehin schon ein Steuersenkungsprogramm im Umfang von mehr als 28 Milliarden Euro beschlossen hat. Dazu gehört zum Beispiel die volle steuerliche Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge. Wenn Schwarz-Gelb trotzdem weitere Steuersenkungen plant, dann nur aus ideologischen Gründen. Angesichts der prekären Haushaltslage sind solche Geschenke völlig absurd.Aber mit dem Sondervermögen sollen auch die Sozialkassen stabilisiert werden. Das hören die Beitragszahler sicher gern.Poss: Gegen das Ziel, die Sozialversicherungsbeiträge in Zaum zu halten, kann niemand etwas haben. Aber das wird von Schwarz-Gelb nur vorgeschoben. Der wahre Grund bleibt der Steuersenkungswahn.Wie das?Poss: Wäre es anders, brauchte man kein Sondervermögen einzurichten. Dann könnte man die fehlenden Milliarden in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung über einen Nachtragshaushalt finanzieren, der von der Schuldenbremse erfasst ist. Im Kern geht es nur um die Gesichtwahrung von Frau Merkel und Herrn Westerwelle. Durch seriöse Haushaltspolitik lassen sich ihre teuren Wahlversprechen nicht umsetzen.

HintergrundUnion und FDP denken über einen milliardenschweren Sonderfonds nach, mit dem sie die Löcher im Gesundheitsfonds und bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) stopfen wollen. Dieser so genannte Schattenhaushalt würde den eigentlichen Bundesetat entlasten und zugleich Steuersenkungen ermöglichen. Die Opposition und Wirtschaftsexperten kritisieren dies mit Blick auf die von Bund und Ländern vereinbarte Schuldenbremse als Trickserei. Nach der im Sommer beschlossenen Schuldenbremse muss der Bund bis 2016 dafür sorgen, dass die Neuverschuldung maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt. Die neuen Regelungen zum Abbau der Verschuldung sollen erstmals 2011 gelten. afp

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