Digitalsteuer geplant Die EU greift nach dem Geld der Tech-Riesen

Brüssel · Google, Facebook und Instagram machen milliardenschwere Gewinne, zahlen aber kaum Abgaben. Die Digitalsteuer soll das ändern.

EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici gab sich ehrlich: „Unsere Vorschriften aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den Mitgliedstaaten nicht, in Europa tätige Digitalunternehmen zu besteuern.“ Viele bündeln ihre Geschäftstätigkeiten an Standorten mit extrem günstigen Abgabensätzen – unter Umständen sogar außerhalb der Union. Die EU-Kommission geht davon aus, dass Facebook, Google & Co. derzeit neun Prozent an Unternehmenssteuern zahlen – der Schnitt bei klassischen Firmen liegt bei 20 Prozent. Das soll sich nun ändern.

Gestern präsentierte die EU-Behörde ihren Vorschlag, der sich an einem Grundgedanken orientiert: Bisher ist der Ort der Betriebsstätte ausschlaggebend für die steuerliche Veranlagung eines Unternehmens. Denn dort wird der Umsatz erwirtschaftet. Digitale Unternehmen haben keine solche Betriebstätte. Aber sie haben Nutzer, mit denen sie ihre Gewinne machen. Also soll das Finanzamt dort ansetzen.

In einem ersten Schritt, der kurzfristig wirken könnte, schlägt die Kommission eine Besteuerung der Erträge aus dem Verkauf von Online-Werbeflächen vor. Außerdem sollen die Abgaben aus den digitalen Vermittlungsgeschäften errechnet werden, die Nutzern erlauben, mit anderen Usern zu interagieren. Konkret bedeutet das, dass Facebook für eine Anzeige, die ein deutscher User am Rande seines Bildschirms findet, künftig Steuern zahlen muss. Zusätzlich könnte das Finanzamt Abgaben auf jene Erlöse erheben, die bei Geschäften mit dem Verkauf von Daten erhoben werden. Bei einem Steuersatz von drei Prozent, so hat die Kommission ausgerechnet, würden alle 28 EU-Finanzminister mit insgesamt fünf Milliarden Euro zusätzlich rechnen können.

Langfristig denkt Moscovici aber an ein ausgefeilteres Modell. Konzerne, die mehr als sieben Millionen Euro pro Jahr in einem Mitgliedstaat erwirtschaften, mehr als 100 000 eingetragene User haben und mehr als 3000 Verträge über digitale Dienstleistungen abschließen, sollen mit dem landesüblichen Körperschaftssteuersatz belegt werden. Dabei bekäme jeder EU-Staat entsprechend seiner Nutzerzahl sowie dem Umfang der Geschäftstätigkeit anteilig Steuern überwiesen.

„In einer grenzenlosen, virtuellen Welt kann es für die Frage, ob ein Unternehmen Steuern zahlt, nicht alleine davon abhängen, wo es seinen Server stehen hat“, begrüßte EU-Parlamentarier Peter Simon (SPD) die Vorschläge. Andere sind dagegen skeptisch, ob die erwarteten Einnahmen wirklich so umfangreich sein können. Christian Dorenkamp, Steuerabteilungsleiter bei der Telekom, machte unlängst bei einem Symposium im Bundesfinanzministerium diese Rechnung auf: Die Google-Mutter Alphabet erzielte 2017 eine Gewinn von über 20 Milliarden Euro. Nach Einschätzung von Experten beträgt der Anteil der deutschen Kunden ungefähr 20 Prozent. Diese 200 Millionen Euro müsste Google in Deutschland versteuern, bei einem Ertragssteuersatz von 30 Prozent wären das rund 60 Millionen Euro für den hiesigen Fiskus. Angesichts von 150 Milliarden Euro, den alle deutschen Unternehmen aufbringen, also eher ein Kleinigkeit.

Ob die Kommission sich mit ihren Plänen überhaupt durchsetzen kann, ist offen. Steuerliche Entscheidungen benötigen in Europa eine Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten – und die dürfte schwer zu erreichen sein. Schließlich gibt es Länder wie Irland, die nur wenig Interesse daran haben, dass die US-Konzerne auf der grünen Insel künftig Abgaben an alle zahlen müssen.

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