Missbrauch von 50 Millionen Profilen Facebook und die Daten der anderen

Saarbrücken/Düsseldorf · Der Missbrauch von 50 Millionen Facebook-Profilen im US-Wahlkampf erschreckt die Welt. Doch es gibt noch einen Skandal hinter dem Skandal – und Hoffnung auf Besserung.

 Jeder noch so kleine Klick auf Facebook ist für das Unternehmen ersichtlich. Dafür bleibt völlig im Dunkeln, was das soziale Netzwerk mit diesen Daten später macht.

Jeder noch so kleine Klick auf Facebook ist für das Unternehmen ersichtlich. Dafür bleibt völlig im Dunkeln, was das soziale Netzwerk mit diesen Daten später macht.

Foto: dpa-tmn/Franziska Gabbert

Die Welt steckt mitten in einem riesigen Daten-Skandal. Und eigentlich weiß niemand so genau, welche Dimension dieser Fall wirklich hat. Im Zentrum stehen der US-Konzern Facebook, die britische Datenanalyse-Firma Cambirge Analytica und gut 50 Millionen Mitglieder des sozialen Netzwerks, die ohne ihr Wissen angezapft wurden – um Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl 2016 triumphieren zu lassen. Seit zwei Tagen beschäftigt diese Geschichte Medien weltweit. Dabei sind zwei entscheidende Fragen bislang noch völlig offen: Wer ist der eigentliche Schuldige hinter dem Daten-Missbrauch? Und sind Sie manchmal auch rachsüchtig?

Gerade die Antwort auf die letzte Frage ist entscheidend für den Fall. Sie erklärt, wie die Daten 2015 gesammelt wurden. Wissen wollte das ein Persönlichkeitstest namens thisisyourdigitallife. Den schickte Psychologieprofessor Aleksandr Kogan von der Uni Cambrige 2015 durch die Netzwerke. Er wollte auch wissen, wie offen die Nutzer so sind, ob sie Projekte zu Ende bringen, ob sie sich oft Sorgen machen oder Kunst mögen. Lustig fanden 270 000 Menschen den Test – und machten munter mit. Da sie im Schnitt 190 Freunde hatten, lieferten sie Kogan auch deren Daten mit.

Das alles passierte offenbar im Einklang mit den Facebook-Richtlinien. Was automatisch zur ersten und wirklich zentralen Frage in diesem Datenkraken-Skandal führt: Wer ist Schuld? Die Nutzer? Sie hatten zwar der App die Datenerhebung erlaubt. Aber nicht, dass Kogan die Daten nicht für sich behalten wird, sondern mutmaßlich an Cambrige Analytica weitergeben hat. Das Unternehmen erstellte dann aus dem Wust an Informationen messerscharfe Profile von Millionen US-Wählern. Diese wurden später gezielt mit Werbebotschaften angesprochen.

Im Skandal um den Datenmissbrauch für den US-Wahlkampf hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Mittwoch „Fehler“ eingeräumt. Facebook müsse seinen Dienst verbessern, erklärte er in seiner ersten Stellungnahme. Er sei „verantwortlich“ für das, was in dem Sozialnetzwerk geschehe. Zugleich enthielt der lange Beitrag des Facebook-Chefs keine ausdrückliche Entschuldigung. Er verwies darauf, dass die Analyse-Firma Cambridge Analytica, die unter anderem für Trumps Wahlkampfteam arbeitete, unrechtmäßig an die Daten gekommen sei. Der britische Professor hatte besagte Facebook-App auf die Plattform gebracht und die Daten heimlich an Cambridge Analytica gegeben.

Vie­le Nut­zer se­hen in den so­zia­len Netz­wer­ken ei­ne tech­ni­sche Er­run­gen­schaft, um Men­schen aus al­ler Welt mit­ein­an­der zu ver­bin­den. Dem ist auch so. Nur sind Face­book & Co. längst mehr als so­zia­le Netz­wer­ke. Der Ver­kauf von Da­ten ist ein Haupt­ge­schäfts­zweig. In der Re­gel sol­len die­se an­ony­mi­siert wer­den. Ob das im­mer so ist, wis­sen am Ende nur die Un­ter­neh­men. Doch auch weit­ge­hend an­ony­me Da­ten las­sen Rück­schlüs­se auf die Nut­zer zu. Freun­de, Kom­men­ta­re und Sei­ten, die Nutzer mit „Ge­fällt mir“ mar­kie­ren, sa­gen viel über sie – über Ge­wohn­hei­ten, Sor­gen, Ängs­te, Hoff­nun­gen und Nö­te. Dar­aus kön­nen Wahl­stra­te­gen auf die po­li­ti­sche Ge­sin­nung schlie­ßen.

Vor Trump setz­te be­reits der re­pu­bli­ka­ni­sche Kan­di­dat Ted Cruz auf die Diens­te von Cam­bridge Ana­ly­ti­ca. Und die „Süd­deut­sche Zei­tung“ er­mit­tel­te in ei­nem Da­ten­pro­jekt vor der Bun­des­tags­wahl die Nä­he von CSU und AfD bei Face­book. So gab es auf der Platt­form meh­re­re Über­schnei­dun­gen bei­der Par­tei­en. Das heißt, Sei­ten oder Per­so­nen, die AfD-An­hän­ger mit „Ge­fällt mir“ mar­kiert hat­ten, fan­den sich häu­fig bei CSU-An­hän­gern. Die Christ­so­zia­len wa­ren im Wahl­kampf the­ma­tisch so nah an der er­star­ken­den AfD wie kei­ne an­de­re größere Par­tei. 

Face­book indes geht es we­ni­ger dar­um, In­for­ma­tio­nen zu er­zeu­gen oder rich­tig­zu­stel­len, son­dern dar­um, die Nut­zer­ge­mein­schaft zu fes­ti­gen. Nach­rich­ten wer­den mit dem Ziel prä­sen­tiert, die ei­ge­ne Per­sön­lich­keit dar­zu­stel­len und so die Ver­bin­dung zu Gleich­ge­sinn­ten zu stär­ken. Face­books Al­go­rith­mus, der Nut­zern die Ti­me­li­ne füllt, ge­wich­tet Bei­trä­ge oder Sei­ten hö­her, die auch Freun­den der Mitglieder ge­fal­len. Die Nutzer in­ter­agie­ren häu­fi­ger da­mit – und blei­ben so län­ger auf der Platt­form. Das Mei­nungs­spek­trum wird so ein­ge­schränkt. Die Nutzer sehen im Prinzip nicht mehr al­les. Sie verirren sich in der so­ge­nann­ten Fil­ter­bla­se. Der Ef­fekt ver­stärkt sich durch ge­ziel­te Pro­pa­gan­da ei­ni­ger Par­tei­en und den Ein­satz von So­ci­al Bots – Pro­gram­men, die mensch­li­che Ver­hal­tens­mus­ter si­mu­lie­ren. Wer nun die In­hal­te die­ser Fil­ter­bla­sen kennt – weil er die da­zu pas­sen­den Da­ten ge­kauft hat –, kann die Wahl­wer­bung dar­an an­pas­sen.

Viele Nutzer sind diesen Werbestrategien ahnungslos ausgeliefert. Ihnen sei nicht bewusst, dass sie maßgeschneiderte Botschaften erhielten und auf Basis welcher Informationen diese erstellt worden seien, sagt Datenschützer Peter Schaar. „Intransparenz ist das A & O jeder erfolgreichen Manipulation“, meint er. „Das Problem geht weit über den Datenschutz hinaus.“ Ziel sei vielmehr die heimliche Steuerung der Bedürfnisse der Mitglieder, ihres Handelns oder Wahlverhaltens.

 Er ist der Kopf von Cambrigde Analytica: Alexander Nix führt die Datenanalyse-Firma, die Trumps Team im Wahlkampf engagiert hatte.

Er ist der Kopf von Cambrigde Analytica: Alexander Nix führt die Datenanalyse-Firma, die Trumps Team im Wahlkampf engagiert hatte.

Foto: dpa/Dominic Lipinski

Es gibt womöglich bald einen Ausweg: die europäische „E-Privacy-Verordnung“, über die verhandelt wird. Sie soll  2018 in Kraft treten. Schon im Mai wird die ebenfalls auf EU-Ebene beschlossene Datenschutz-Grundverordnung gelten. „Der Vorteil ist, dass die Datenschutz-Grundverordnung europaweit gilt und sich auch nichteuropäische Unternehmen daran halten müssen“, sagt Lina Ehrig vom Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen. Facebook, Google, Amazon und Co. könnten dann nicht mehr einfach weitermachen wie bisher. „Wir müssen diese Schattenseiten ausleuchten, was ja nicht bedeutet, dass wir die Digitalisierung stoppen oder bremsen wollen“, findet auch Schaar. „Aber wir müssen sie in gesellschaftlich akzeptable Bahnen leiten, diesen Willen erwarte ich von Politikern.“

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