Der Tod als Herzenswunsch

Düsseldorf/Saarbrücken · Viele Todkranke wollen selbst entscheiden, ob sie ihr Leben beenden. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will aber jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe stellen.

 Auf herzförmigen Zetteln wird in einem Düsseldorfer Hospiz an die ehemaligen Bewohner erinnert. Fotos: Berg/dpa

Auf herzförmigen Zetteln wird in einem Düsseldorfer Hospiz an die ehemaligen Bewohner erinnert. Fotos: Berg/dpa

Klaus Arens hat Leukämie. Nach gut zwei Jahren Chemotherapie und Bestrahlung bereitet er sich wieder einmal auf mehrere Wochen in Klinik und Reha vor. "Es geht mir schlecht, auch durch die heftigen Nebenwirkungen", sagt der 82-Jährige. Klaus Arens will leben. Wenn sich aber ein unwürdiges Ende abzeichnet, möchte er seinem Leben ein Ende setzen. Daheim, im Kreise seiner Lieben, mit einem Medikament, das ihn einschlafen lässt. Er hätte gerne einen Arzt dabei, glaubt aber wegen der derzeitigen Rechtslage nicht, dass dieser Wunsch erfüllt wird.

Über Sterbehilfe wird viel diskutiert. Eine Gesetzesreform steht an. Im Bundestag ist eine schwierige Ethikdebatte zu erwarten. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will jede Form der gewerblichen und organisierten Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen. Aktive Sterbehilfe - Tötung auf Verlangen - ist in Deutschland verboten. Beihilfe zum Suizid - etwa das Überlassen eines tödlichen Medikaments - ist straffrei. Viele bemängeln rechtliche Unklarheiten und eine unhaltbare Grauzone für Ärzte. Nach dem 2011 vom Ärztetag verschärften Berufsrecht ist es Medizinern verboten, beim Suizid zu assistieren. Kritiker sagen, das treibe Ärzte in die Heimlichkeit.

Der krebskranke Klaus Arens hat viel über das Sterben nachgedacht: "Wenn ich in die Situation komme, dass ich grundsätzlich auf fremde Hilfe angewiesen bin, auf die Toilette gesetzt und gewaschen werden muss, dann ist das mit meiner Auffassung von Menschenwürde unvereinbar. Dann möchte ich mein Leben beenden und dabei medizinische Betreuung beanspruchen dürfen." Die schwerkranke Gabriella Albrecht hat Verständnis für den Wunsch nach Sterbehilfe. "Für mich ist das aber nie infrage gekommen", sagt die 78-Jährige, die in einem Caritas-Hospiz in Düsseldorf lebt. "Ich habe akzeptiert, dass ich sterben werde. Wenn es Zeit ist zu gehen, dann ist das eben so. Ich selbst habe darüber nicht zu bestimmen." Vor sechs Monaten hat sie die Diagnose bekommen: Brustkrebs im Endstadium. Die 78-Jährige kaufte sich ein Grab und bemühte sich um einen Platz im Hospiz. "Ich wollte keine Therapie, keine OP, denn mein Mann hatte das alles vor Jahren gemacht und ist doch gestorben", sagt die zierliche Dame. "Ich werde hier schön umsorgt, es ist immer jemand für mich da. Man braucht hier keine Angst zu haben. Ich war noch nie in der Situation, dass ich gedacht habe, dass ich verrückt werde vor Schmerzen." Hospiz-Leiter Franz-Josef Conrads sagt: "Viele ringen um jede Minute. Es wirkt lebensverlängernd, wenn man gut versorgt ist, nicht allein, nicht voller Angst und Verzweiflung." Es müsse mehr in Zuwendung, Pflege und Palliativ-Medizin investiert werden. Jedes Parlamentsmitglied muss in dieser Frage dem eigenen Gewissen folgen. Eine einfache Antwort wird es vermutlich nicht geben.

Die saarländische CDU-Abgeordnete Anette Hübinger ist "im Grunde auf Linie" mit Hermann Gröhe. Anstatt Sterbehilfe müsse der Sterbeprozess begleitet werden, sagte sie der SZ. "Wir brauchen eine gute Palliativ- und Hospizbewegung." Auch Elke Ferner (SPD) will die Palliativ-Medizin stärken und den Zugang zu ihr verbessern. Denn mit ihren Methoden sei Sterben in Würde möglich. Dennoch will Ferner Sterbehilfe nicht ganz ausschließen: "Wenn ein Freund oder naher Verwandter um Hilfe beim Sterben bittet, sollte das für den Helfenden straffrei möglich sein." Gewerbliche Sterbehilfe sei jedoch "sehr schwierig".

Wenn palliative Möglichkeiten erschöpft oder nicht mehr gewünscht sind, müsse "Straffreiheit für die ärztliche Begleitung und Ermöglichung einer selbstbestimmten und selbst eingeleiteten Lebensbeendigung eines unheilbar Leidenden" zugesichert sein, fordert die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS).

Denn sonst wäre der Patient mehr als bisher darauf angewiesen, den Weg in die Schweiz anzutreten - dort ist eine Freitod-Begleitung gesetzlich erlaubt. Kommerzielle Sterbehilfe lehnt auch die DGHS strikt ab. Sven Gottschling, Leitender Arzt des Zentrums für Palliativ-Medizin und Kinderschmerztherapie in Homburg, ist hingegen der Meinung, jede aktive Sterbehilfe solle unter Strafe gestellt werden. "Solange nur einem Bruchteil der Patienten palliative Versorgung angeboten wird, halte ich jede Diskussion über aktive Sterbehilfe für zynisch. Wir begleiten bei uns rund 1000 sterbende Menschen pro Jahr. Hilfe besteht für mich als Arzt nicht darin, jemanden zu töten oder ihm bei der Selbsttötung zu helfen, sondern ihn ganzheitlich beim Sterben zu begleiten." Gabriella Albrecht wird die Gesetzes-Reform womöglich nicht mehr erleben. "Ich bin bereit."

Zum Thema:

Auf einen BlickAktive Sterbehilfe ist in Deutschland strafbar und wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Passive Sterbehilfe ist der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Ärzte dürfen solche Maßnahmen auch dann abbrechen, wenn der Patient noch nicht kurz vor dem Tod steht. Indirekte Sterbehilfe ist die Gabe starker Schmerzmittel, die das Leben verkürzen können. Entspricht dies dem Patientenwillen, ist es nicht strafbar. dpa

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