Der Klapperstorch muss mit

Neunkirchen. Behutsam hebt eine Schwester die langen, schwarzen Locken von Claudia Ferraro übers Kissen. "Ein bisschen aufgeregt" ist die schwangere junge Frau, schließlich zieht man nicht alle Tage als Patientin mitsamt Krankenhaus um. Doch Claudia Ferraro scheint bestens vorbereitet zu sein. Mit einem strahlenden Lächeln verabschiedet sie sich um 7

Neunkirchen. Behutsam hebt eine Schwester die langen, schwarzen Locken von Claudia Ferraro übers Kissen. "Ein bisschen aufgeregt" ist die schwangere junge Frau, schließlich zieht man nicht alle Tage als Patientin mitsamt Krankenhaus um. Doch Claudia Ferraro scheint bestens vorbereitet zu sein. Mit einem strahlenden Lächeln verabschiedet sie sich um 7.45 Uhr vom "Sonnenzimmer" des St. Josef-Krankenhauses und winkt den Schwestern zu, um eine knappe halbe Stunde später und etwa neun Kilometer weiter im Neunkircher Stadtteil Kohlhof ihr Zimmer zu beziehen. Dort hat gestern die neu erbaute Marienhaus-Klinik St. Josef ihren Betrieb aufgenommen.

Nachdem die Verwaltung des St. Josef-Krankenhauses bereits vor zwei Wochen den Standort gewechselt hatte, stand am Montag der schwierigste Teil des Umzugs an. "Der Tag der Tage" wurde für den Bereich Patienten generalstabsmäßig unter der Leitung von Dr. Ernst Konrad geplant und ausgeführt. Der Ausdruck sei erlaubt, hat der Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin doch 15 Jahre bei der Bundeswehr Dienst getan. Und tatsächlich klappt die Verlegung der verbliebenen 25 Patienten reibungslos. Um 7.14 Uhr gibt Dr. Konrad dem Organisationsteam sowie den am Umzug beteiligten Ärzten und Pflegern letzte Informationen mit auf den Weg. Über Monate hinweg ist der Umzug bis ins kleinste Detail vorbereitet worden. Das heißt nicht, dass nicht an der einen oder anderen Stelle unliebsame "Überraschungen" auf die Krankenhausmitarbeiter warten. Es müssen nämlich nicht nur die Patienten, darunter vier Intensivpatienten, sicher in die neue Klinik gebracht werden. 2700 Gegenstände werden von der Umzugsfirma eingepackt und transportiert. "Behalten Sie Ihre Nerven", rät Pflegedirektorin Stefanie Conrad, die zum engsten Kreis des Orga-Teams gehört, den Männern im Blaumann. Statt Sofa und Küchengeschirr transportieren sie heute Narkosegeräte und OP-Besteck in ihren Lkws. Als "ein Novum in der deutschen Krankenhauslandschaft" bezeichnet es Conrad, dass so viele Möbel und Arbeitsgeräte mitgenommen werden. Neben den ultramodernen Neuanschaffungen werden sie ihren Platz in Kohlhof finden. Die Neunkircher Sparsamkeit hat ihren Grund, war der Finanzrahmen des Krankenhausträgers Marienhaus GmbH mit 30 Millionen Euro (20 Millionen Euro kommen vom Land) doch eng gestrickt. Das Geld wurde in einen dreigeschossigen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft der alten Kinderklinik Kohlhof investiert. Diese wird am heutigen Dienstag ebenfalls in den Neubau umziehen, der moderne medizinische Funktionalität mit behaglichem Interieur verbindet.

Kinder und Erwachsene sollen hier nicht nur bestmöglich medizinisch versorgt und gepflegt werden, sie sollen sich in der Marienhausklinik St. Josef wohlfühlen. So formuliert es Stefanie Conrad, die als Projektleiterin der Gesamtbaumaßnahme Höhen und Tiefen erlebt hat. Als im Jahr 2001 der Entschluss gefasst wurde, das Neunkircher St. Josef-Krankenhaus nach 100 Jahren in der Innenstadt aufzugeben und neben der Kinderklinik Kohlhof neu zu bauen, war man noch von einer Eröffnung im Jahr 2005 ausgegangen. Doch Anlieger-Widersprüche sorgten für eine Verzögerung des Baubeginns. Unbeirrt trieb Conrad eine neue Lösung voran, sorgte dafür, dass der Krankenhausneubau weiter weg von der Hauptstraße versetzt realisiert werden konnte.

Dem Umzug sieht Conrad an diesem Morgen des 10. Januar "relativ entspannt" entgegen, freut sich "total auf den Neubeginn". Weil alles so gut durchdacht ist, machen die Mitarbeiter einen überaus konzentrierten, aber keinen gestressten Eindruck. "Durchgeschlafen" hat Nicole Busch vor dem großen Tag. Die Mitarbeiterin der Pflegedirektion ist sich "sicher, dass wir die logistische Herausforderung meistern werden". Daran hat auch Chefarzt Dr. Ernst-Peter Mues keinen Zweifel. Im weißen Kittel steht er am Haupteingang und wartet darauf, dass ein 82-jähriger Patient in einem Spezialbett von der Intensivstation heruntergefahren wird. Der Patient ist stabil, für den sicheren Transport nach Kohlhof steht ein Intensivmobil bereit, in dem das Bett und seine zugehörige Apparatur wie Monitor und Beatmungsgerät arretiert werden können. Das im Saarland einmalige Intensiv-Transport-Mobil wurde von der Berufsfeuerwehr Saarbrücken zur Verfügung gestellt. Für die gehfähigen Patienten stehen Manfred Schüler und Claudia Jung als Begleitung bereit. Sie warten ebenfalls am Haupteingang und verabschieden Schwester Doris, die mit einem Karton durch die Glastür geht. Darin liegt zusammengeklappt der Holzstorch, der in ein paar Stunden in der neuen Geburtshilfeabteilung an der Decke hängen wird. "Habe fertig", lacht die Krankenschwester, die für die Koordination des Kreißsaals zuständig ist. Tja, auch der Klapperstorch zieht um. Er wird jetzt in Kohlhof gebraucht, wo sich Claudia Ferraro auf die Geburt ihres Kindes vorbereitet. Sie wird zu den ersten Schwangeren gehören, die in der neuen Marienhausklinik St. Josef entbinden werden.

Hintergrund

Aus zwei mach eins: Das St. Josef-Krankenhaus Neunkirchen und die Kinderklinik Kohlhof werden in der neu erbauten Marienhaus-Klinik St. Josef zusammengefasst. Diese wurde für 30 Millionen Euro vom Träger, der Marienhaus GmbH, neben der alten Kinderklinik Kohlhof neu erbaut. 172 Planbetten stehen in der neuen Klinik zur Verfügung, in der nun die Geburtshilfe und die Kinderheilkunde gebündelt sind. Damit ist ein Klinikstandort in Neunkirchen weggefallen. Die alte Kinderklinik wird definitiv abgerissen, ein Abriss wird auch für den 1896 eröffneten Krankenhausbau in der Neunkircher Innenstadt erwogen. Rund 500 Mitarbeiter arbeiten in der Marienhaus-Klinik St. Josef. Nach Angaben des kaufmännischen Direktors Thomas Gärtner sollen in diesem Jahr 11 000 stationäre und 25 000 ambulante Fälle versorgt werden. Außerdem wird in diesem Jahr mit 800 bis 900 Geburten gerechnet. hek

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